"Lingui": 15-Jährige wird nach Vergewaltigung schwanger, doch Abtreibung ist gesetzlich verboten!

Deutschland - Eine Filmperle aus dem Tschad! "Lingui", der "Oscar"-Beitrag des zentralafrikanischen Staates, läuft am 14. April in den deutschen Kinos an und wartet mit einer aktuellen sowie brisanten Geschichte auf. Die TAG24-Filmkritik.

Maria (Rihane Khalil Alio, l.) belastet die Vergewaltigung sehr, auch ihre Mutter Amina (Achouackh Abakar Souleymane) ist anfangs überfordert.
Maria (Rihane Khalil Alio, l.) belastet die Vergewaltigung sehr, auch ihre Mutter Amina (Achouackh Abakar Souleymane) ist anfangs überfordert.  © PR/Mathieu GIOMBINI

Im Mittelpunkt stehen Amina (Achouackh Abakar Souleymane), die sich als Straßenverkäuferin durchschlägt, und ihre Tochter Maria (Rihane Khalil Alio), die zur Schule geht, um es einmal besser zu haben.

Doch ihr Verhalten ändert sich schlagartig. Sie möchte nicht mal mehr von Amina angefasst werden. Bald kommt heraus, was dahintersteckt. Die 15-Jährige wurde vergewaltigt und ist schwanger, was Amina entsetzt.

Sie gebar mit Maria selbst ein uneheliches Kind, wurde von ihrem Partner verlassen und weiß, was das für eine Muslima im Tschad bedeutet.

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Entsetzt fragt sie ihr Kind: "Schwanger in deinem Alter? Schämst du dich nicht?" Als sie merkt, dass ihre "Mamita" völlig fertig ist, wird sie mitfühlender und fragt, wer der Vater ist.

Das übergeht Maria und sagt: "Ich will abtreiben", was ihre Mutter in noch größere Sorgen stürzt. Sie erklärt verzweifelt weinend: "Wir sind Muslimas, wir dürfen das nicht. Der Islam verbietet es." Doch Maria ist wild entschlossen und sagt laut: "Lass mich, es ist mein Körper! Es ist in meinem Bauch."

Aufgebracht haut Amina ihre Tochter, die daraufhin so weit wegrennt, wie sie nur kann. Nun begibt sich die Mutter auf die Suche nach ihr und bittet auch ihren Nachbarn Brahim (Youssouf Djaoro, 59) um Hilfe, der ihr zuvor eröffnete, dass er sie gerne heiraten möchte, was Amina aber ablehnte. Da sie Maria nicht findet, muss sie darauf hoffen, dass sie nach Hause zurückkehrt, damit sie alles in Ruhe besprechen können...

Trailer mit deutschen Untertiteln zu "Lingui" mit Rihane Khalil Alio und Achouackh Abakar Souleymane

"Lingui" hallt aufgrund seiner hohen Qualität und Story-Tiefe noch lange nach

Regisseur Mahamat-Saleh Haroun (61) hat einen einfühlsamen Film gedreht, der sich ins Gedächtnis einbrennt und Emotionen weckt.
Regisseur Mahamat-Saleh Haroun (61) hat einen einfühlsamen Film gedreht, der sich ins Gedächtnis einbrennt und Emotionen weckt.  © PR/Dana FARZANEHPOUR

Diese bewegende Geschichte hat Mahamat-Saleh Haroun (61, "Bye Bye Africa", "Daratt - Zeit der Entscheidung", "Un homme qui crie - Ein Mann, der schreit") hervorragend umgesetzt.

Dem mit 28 Filmpreisen ausgezeichneten Regisseur ist ein außergewöhnliches Werk gelungen, das noch lange nachhallt.

Das liegt besonders am intelligenten sowie präzisen Drehbuch und an der hervorragenden Charakterdarstellung - und entwicklung. Haroun beweist hier viel Fingerspitzengefühl und Empathie.

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Deshalb haben die beiden weiblichen Hauptfiguren Tiefgang, wodurch ihre Motive und Handlungen nachvollziehbar sind und man sich auch emotional mit ihnen identifizieren kann.

Zwar gibt es am Ende eine Szene, die fragwürdig ist und bei der jeder Zuschauende selbst entscheiden muss, ob er sie sowie ihre Aussage gutheißt.

Doch davon abgesehen ist "Lingui" ein zutiefst beeindruckendes Drama auf internationalem Spitzenniveau geworden, das zum Nachdenken anregt, eine Achterbahnfahrt der Gefühle auslöst und deshalb über die gesamten 87 Minuten fesselt.

Amina (Achouackh Abakar Souleymane) greift ihrer Tochter nach dem anfänglichen Schock unter die Arme.
Amina (Achouackh Abakar Souleymane) greift ihrer Tochter nach dem anfänglichen Schock unter die Arme.  © PR/Mathieu GIOMBINI

"Lingui" ist ein gesellschaftskritischer Film geworden, der den Diskurs anstößt

Maria (Rihane Khalil Alio) muss die traumatischen Erlebnisse erst einmal verarbeiten.
Maria (Rihane Khalil Alio) muss die traumatischen Erlebnisse erst einmal verarbeiten.  © PR/Mathieu GIOMBINI

Daran haben Newcomerin Alio und die erfahrenere Abakar Souleymane ("Grigris Glück") entscheidenden Anteil. Die Chemie zwischen ihnen stimmt, zudem erden sie das Drama mit ihren starken Leistungen und wissen sowohl hinsichtlich ihrer Gestik als auch ihrer Mimik zu überzeugen.

Anhand seiner Protagonistinnen zeigt Haroun auf, wie patriarchalisch das gesellschaftliche System im Tschad noch immer ist und wie sehr Frauen auf die Gunst von Männern angewiesen sind. Ein freies, selbstbestimmtes Leben ist die Ausnahme.

Zu dieser traurigen Ansicht findet er aber auch einen positiveren Gegenpol und zeigt auf, wie sich Frauen in schweren Zeiten/Not gegenseitig helfen. Gerade diese zwischenmenschlichen Momente sind ganz großes Kino!

Außerdem finden weitere Themen wie Intimbeschneidungen Einzug und werden gut in die Handlung eingebettet. Da auch die dynamische Kameraführung, die exotischen Locations, die stimmige Musikuntermalung, die farbenfrohen Kostüme und aufwendigen Frisuren viel zur dichten Atmosphäre beitragen, ist "Lingui" ein sehenswerter Film geworden.

Zusammengenommen weiß Harouns Werk dank seiner präzisen Beobachtung des Gesellschaftssystems, seiner Kritik an dessen Schwächen und der hochaktuellen sowie interessanten Story zu begeistern, weshalb "Lingui" sich auch auf der großen Leinwand lohnt.

Titelfoto: PR/Mathieu GIOMBINI

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