Smokie-Sänger Chris Norman im Interview: "Ich würde dann aufhören"

Berlin - Chris Norman (73), Gründungsmitglied und bis 1986 Kopf der legendären Pop-Rock-Band Smokie, verdanken wir zahlreiche Kult-Hits wie "Living Next Door to Alice" und "Midnight Lady". Ein Gespräch mit dem britischen Singer-Songwriter über die Musikbranche, Hörgewohnheiten und das Spielen von Oldies.

Der Song "Midnight Lady", der es 1986 in den Schminanski-Tatort schaffte und auf Platz 1 der deutschen Charts landete, war Chris Normans (73) erstes richtiges Solo-Projekt.
Der Song "Midnight Lady", der es 1986 in den Schminanski-Tatort schaffte und auf Platz 1 der deutschen Charts landete, war Chris Normans (73) erstes richtiges Solo-Projekt.  © Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/ZB

TAG24: Sie treten dieses Jahr bei der Open Air Silvester-Party am Brandenburger Tor auf: Wie ist Ihr Bezug zu Berlin?

Chris Norman: Ich komme schon seit Jahren immer wieder nach Berlin, zum ersten Mal mit Smokie. Das war in den 70ern. Vor 45 Jahren, vielleicht noch länger her. Zudem war ich eine Woche vor dem Fall der Berliner Mauer hier. Ich mag Berlin wirklich sehr, seine verschiedenen Bezirke. Es ist eine interessante Stadt und ich trete hier auch bei der bevorstehenden Tour im kommenden Jahr auf.

TAG24: Was kann das Publikum von den bevorstehenden Auftritten Ihrer großen Deutschland-Tournee im April 2024 erwarten?

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Chris Norman: Wir werden eine Mischung aller möglichen Songs spielen, die die Leute hören wollen. Es wird Solo-Material geben und die Smokie-Hits, sei es "Midnight Lady" oder "Stumblin' In". Außerdem Lieder aus meinem neuen Album "Junction 55". Unterstützt werde ich von einer sechsköpfigen Band.

TAG24: Also haben Sie es nicht satt, immer wieder die Klassiker zu spielen?

Chris Norman: Wenn wir wie manche Bands nur von vierzig Jahre alten Hits zehren würden, dann wären wir durch. Ich würde dann aufhören. Ich bringe alle paar Jahre neue Songs raus, die ich dann auch in die Setlist packe. So sind die alten Lieder eine Vergnügung, weil ich die Reihenfolge der Songs durchmischen kann. Damit bleibt es unverbraucht für mich. Solange es diesen Mix aus Alt und Neu gibt, bin ich glücklich.

Chris Norman: "Ich bin froh, im Musikgeschäft zu sein"

Chris Norman (73) ist ein großer Beatles-Fan
Chris Norman (73) ist ein großer Beatles-Fan  © picture alliance / Daniel Bockwoldt/dpa

TAG24: Wenn Sie diese Möglichkeit also nicht hätten, würden Sie den Stecker ziehen?

Chris Norman: Ja, bei nur alten Songs und ohne neues Material würde ich das wohl machen, aber so wie es ist, bin ich zufrieden mit dem, was ich mache. Ich bin froh, im Musikgeschäft zu sein und habe keine Pläne, so bald aufzuhören.

TAG24: Ist der Arbeitsablauf, wie Sie heute Songs schreiben, leichter oder schwerer als vor ein paar Jahrzehnten?

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Chris Norman: Ich denke, es ist anders. Als ich Lieder in den 1970er Jahren schrieb, war es eine neue Erfahrung für mich, weil ich es erst lernen musste. Es kam auch vor, dass ich versuchte, Songs zu schreiben, die mehr oder weniger zur Mode der damaligen Zeit passen sollten. Dann wurde es schwierig. Sobald du es erzwingst, ist es nicht mehr so gut. Also habe ich damit aufgehört und schaue, was mir in den Sinn kommt - und das schon seit einiger Zeit. Wenn man sich genug Zeit beim Schreiben von Songs einräumt und dann eine Idee aus heiterem Himmel kommt, ist das sehr fruchtbringend und befriedigend. Es ist ein Vergnügen.

TAG24: Auf Ihrem YouTube-Kanal haben Sie Duette mit Ihrer Tochter hochgeladen. Mit wem sonst würden Sie gerne einmal ein Duett aufnehmen?

Chris Norman: Mir fällt im Moment niemand Bestimmtes ein. Ich habe da keine Ambitionen. Es gibt Duette, die ich mal gemacht habe, zum Beispiel mit Suzie Quatro. Vielleicht eines mit Bruce Springsteen wäre eine gute Wahl, aber die wären dann jetzt zu ähnlich.

TAG24: Bei "One Acoustic Evening" erzählen Sie, dass Sie als junger Mensch viel Bob Dylan gehört haben. Ist das immer noch der Fall?

Chris Norman: Nicht mehr so viel wie früher, denn er macht nicht mehr so viel Musik wie damals, und sein Stil hat sich sehr verändert. Ich mag einiges davon, aber nicht alles. Die Zeiten ändern sich. Als ich ein Teenager war und er so Folk-Akustik-Alben wie "The Freewheelin' Bob Dylan" herausbrachte, habe ich das geliebt. Es war fantastisch. Ich war ein großer Fan von ihm und den Beatles.

TAG24: Welche Künstler oder Alben hören Sie derzeit?

Chris Norman: Niemand Besonderes. Wenn ich ein gutes Album im Radio höre, dann checke ich das aus, aber ich kaufe nicht mehr so viele Platten. Ich mag einiges von Ed Sheeran, auch wenn er nicht ganz so mein Fall ist, aber er hat schon ein paar ziemlich gute Sachen. Dann gibt es noch andere Leute: Adele ist eine großartige Sängerin. Ich mag ältere Sachen, zum Beispiel den neuen Beatles-Song "Now and Then", der kürzlich erschien. Ich habe nicht mehr den Enthusiasmus für neue Musik wie früher. Wenn man schon so lange Musik hört, überrascht einen nichts mehr.

Beatles, Beach Boys oder doch Crosby, Stills and Nash?

Chris Norman (73) rät aufstrebenden Künstlern, live zu spielen.
Chris Norman (73) rät aufstrebenden Künstlern, live zu spielen.  © Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/ZB

TAG24: Wenn Sie auf einer einsamen Insel gestrandet wären und Sie hätten nur ein Album, um sich die Zeit zu vertreiben, welches würde es sein? Ein Beatles-Album?

Chris Norman: Es wäre sicherlich ein Beatles-Album, vermutlich "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band". Oder "Revolver", "Rubber Soul", eines von ihnen. So genau kann ich es nicht sagen. [überlegt kurz] Es könnte auch ein Beach-Boys-Album sein, Crosby, Stills and Nash. All die Leute aus dieser Zeit wären großartig.

TAG24: Was wäre Ihr Rat für aufstrebende Musiker, die jetzt erst anfangen und Probleme damit haben?

Chris Norman: Zuallererst ist heute für Musiker schwieriger als es früher der Fall war. Heute muss man das komplett anders angehen. Einen Plattenvertrag wie bei uns damals zu bekommen ist fast unmöglich. Es gibt auch nicht mehr so viele Plattenfirmen wie damals. Jetzt sind es vielleicht fünf Majors, die auch nicht mehr so viele Platten veröffentlichen. Es ist schwierig. Daher mein Rat: Geht raus und spielt live. Da liegt sowieso die Zukunft. Früher hast du Geld mit verkauften Alben verdient und gingst auf Tour, um die Platte zu promoten. Heute machst du das Album, um die Tour zu promoten, und verdienst Geld, indem du auf Tournee gehst. Seht zu, dass ihr gut spielen und singen könnt, und baut eine Fan-Base auf. Dann veröffentlicht eure Musik auf Social Media, damit die Leute darauf abfahren können. Nur so geht's. Es ist einfach viel schwieriger geworden.

Titelfoto: picture alliance / Daniel Bockwoldt/dpa

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