Bremen - Sie kommen mit Träumen nach Europa, rutschen aber in vielen Fällen in die Kriminalität ab. Junge Männer aus Nordafrika, ausreisepflichtig und ohne Perspektive. Die Y-Kollektiv-Reportage "Jung, kriminell, chancenlos? - Ein Jahr mit einer Jugendgang" zeigt, dass dringend Handlungsbedarf besteht.
Raub und Diebstahl haben zugenommen. Bundesweit, aber besonders in Bremen. Eine Tätergruppe sticht dabei hervor. Junge Männer aus Nordafrika, die sich in Gruppen organisieren. In der Hansestadt sind sie als "Junge Räuber" bekannt.
Reporter János Kereszti hat das Vertrauen einer dieser Gruppen gewonnen und geht der Frage auf die Spur, warum sie kriminell wurden und welche Chancen sie in der Bundesrepublik haben.
Sie haben sich für ein besseres Leben auf den Weg gemacht, doch in Deutschland angekommen, folgt oft Ernüchterung. Mohamed, der als Anführer der Gruppe gilt, kam aus Marokko. Schon mit 10 Jahren musste er im Hafen und auf dem Markt arbeiten.
Er habe am Strand gelebt und ständig auf das Meer geblickt, sich gefragt, wie das Leben auf der anderen Seite wohl sei.
Als Teenager wagte er die riskante Überfahrt nach Europa. Mit dem Schlauchboot über das Mittelmeer. Doch in Deutschland schlug er den falschen Weg ein, wurde kriminell. Zum ersten Treffen mit dem Reporter tauchte er nicht auf. Kereszti fragte bei seinen Freunden nach und erfuhr, dass der Marokkaner verhaftet wurde.
Er soll einer Frau das Handy geklaut haben und sie mit einem Messer bedroht haben.
Eine Arbeit ist möglich, der Weg dahin aber schwierig
Seinen Freunden geht es wie Mohamed. Sie sind ausreisepflichtig, können aber nicht abgeschoben werden, weil sie keine Dokumente vom Heimatland haben. Arbeiten ist formell erlaubt, die Hürden sind aber hoch.
"Klauen, klauen, klauen. Das ist der einzige Weg, der uns hier bleibt", sagte einer der jungen Männer. Dreimal war er schon im Gefängnis. Sein Fazit: "Knast ist besser als Unterkunft."
Unterdessen kann der Reporter Mohamed im Gefängnis besuchen, mit ihm sprechen. Ob er es bereue, nach Deutschland gekommen zu sein, will Kereszti wissen. "Vielleicht war es ein schlimmer Fehler", antwortet Mohamed.
Wenig später wird der Marokkaner für zwei Jahre und drei Monate verknackt. Es stand Aussage gegen Aussage. Seine Anwältin ging in Berufung und bekam Recht. Nach knapp einem Jahr ist er wieder auf freiem Fuß.
Trotz der Hürden: Mohamed glaubt an eine Chance in Deutschland
Für jeden Tag in der Untersuchungshaft bekommt Mohamed 75 Euro Entschädigung, in Summe rund 20.000 Euro. "Jetzt gehe ich zur Schule. Und spiele Fußball", sagte er. "Ich war ganz unten. Ich will jetzt aufwachen." Das Geld werde er seiner Familie schicken.
An eine Perspektive in Deutschland glaubt er trotz allem noch. "Ich möchte eine Duldung und damit bekomme ich eine Chance. Ich habe dann viele Möglichkeiten. Ohne Duldung kann ich nur Drogen verkaufen", so Mohamed.
Kereszti erlebte mit der Gruppe ein Jahr voller Hoffnungen und Abstürze. Und er zieht ein Fazit: "Wer nur Täter sieht, verpasst die ganze Geschichte", so der Reporter.
Die Reportage "Y-Kollektiv: Jung, kriminell, chancenlos? - Ein Jahr mit einer Jugendgang"ist ab 28. Juli in der ARD-Mediathek verfügbar.