Vom KZ zur Theaterikone: Regisseurin will Ida Ehre zurück ins Rampenlicht holen

Hamburg - Nach ihrem Debüt-Erfolg "Monika Haeger: Inside Stasi" meldet sich Regisseurin Nicole Heinrich mit einem neuen Theaterstück zurück. Im Mittelpunkt steht erneut eine bewegende Frauenfigur: die österreichisch-deutsche Schauspielerin Ida Ehre (1900-1989). Uraufgeführt wird Heinrichs Inszenierung am 9. Juli 2025 von Schülern und Schülerinnen des Theaterwahlpflichtkurses an der Ida-Ehre-Schule. TAG24 hat die Wahl-Hamburgerin kurz vor der Premiere zum Interview getroffen.

Ida Ehre 1983, Hamburger Kammerspiele: Obwohl sie später vor allem als Intendantin wirkte, kehrte sie immer wieder auch als Schauspielerin auf die Bühne zurück.
Ida Ehre 1983, Hamburger Kammerspiele: Obwohl sie später vor allem als Intendantin wirkte, kehrte sie immer wieder auch als Schauspielerin auf die Bühne zurück.  © IMAGO / United Archives

Die Idee zum Stück habe schon lange in ihrem Kopf gehaust, so Heinrich: "Ich wohne in dem Viertel, in dem auch Ida Ehre gelebt hat, und komme oft an ihrem ehemaligen Haus in der Hallerstraße und an den Kammerspielen vorbei."

Das Theatergebäude, welches Ida Ehre bereits im Dezember 1945, wenige Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, von der britischen Besatzungsmacht übernommen und aus Trümmern wieder aufgebaut hat.

"Und das als Jüdin, die ihre Mutter und Schwester im KZ verloren hatte. Das ist schon beeindruckend", so Heinrich weiter.

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Ehre selbst strandete 1939 nach einer missglückten Flucht nach Chile in Hamburg und kam später ins KZ Fuhlsbüttel.

Trotz ihrer Vergangenheit kehrte die gebürtige Wienerin Deutschland nicht den Rücken, sondern lebte die Kultur nach dem Krieg wieder auf. Als Intendantin holte sie zahlreiche berühmte Theaterstücke und Autoren der Weltliteratur in die Kammerspiele: Zum Beispiel war sie 1947 maßgeblich an der Uraufführung von Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür" beteiligt.

1985 wurde sie als erste Frau für "herausragende Verdienste um den Wiederaufbau unseres Landes und der Stadt Hamburg" zur Ehrenbürgerin der Freien und Hansestadt Hamburg ernannt.

Nicole Heinrich: "Wenn Ida Ehre ein Mann gewesen wäre, würde jeder ihre Geschichte kennen"

Regisseurin und Autorin Nicole Heinrich bei Proben in den Hamburger Kammerspielen.
Regisseurin und Autorin Nicole Heinrich bei Proben in den Hamburger Kammerspielen.  © Tag24/Madita Eggers

TAG24: Nicole, was ist für Dich der zentrale Moment im Stück?

Nicole: Der Full-Circle-Moment ist für mich Ida Ehres Entscheidung, ob sie Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür" aufführen soll oder nicht. Am Anfang ringt sie mit der Frage: Darf ich ein Stück über Täter inszenieren, wenn ich selbst ein Opfer war? Diese Entscheidung bildet den dramaturgischen Rahmen - und über diese Frage erzählt sie dann ihre Lebensgeschichte.

TAG24: Was, glaubst Du, würde Ida Ehre zu Deinem Stück sagen?

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Nicole: Ich weiß es nicht. Ich hoffe natürlich, es würde ihr gefallen. Ich habe mich intensiv mit ihr beschäftigt - Biografien gelesen, Fernsehaufnahmen gesehen. Aber man sieht sie fast immer nur als ältere, sehr strenge Frau. In meinem Stück zeige ich die junge Ida, die kaum jemand kennt.

TAG24: Auch in Hamburg nicht?

Nicole: Ich glaube tatsächlich nicht. Ich habe vor Kurzem mit meiner besten Freundin darüber gesprochen. Sie meinte, das sei ja nicht einmal für Hamburg besonders relevant, weil sie niemand kennt. Und ich habe gesagt: "Dann wird es aber höchste Zeit, dass man sie kennt!" Nicht nur in Hamburg, auch darüber hinaus. Ida Ehre war nicht nur eine erfolgreiche Schauspielerin, sondern hat nach dem Krieg eines der bedeutendsten Theater Europas aufgebaut.

Sie war nicht nur mutig, sondern auch politisch. Ihre Geschichte ist wie aus einem Hollywoodfilm - mit Flucht, Verfolgung, Widerstand und Neuanfang. Ich glaube, wenn sie ein Mann gewesen wäre, würde jeder ihre Geschichte kennen. Da gäbe es längst Filme.

Nicole Heinrich will Ida Ehres Botschaft der Menschlichkeit weitertragen

"Es war eine Bedingung der Schule, dass alle mitspielen, deshalb habe ich ein Ensemble-Stück mit mehreren Idas in verschiedenen Altersphasen geschrieben", erklärte Nicole Heinrich gegenüber TAG24. Begleitet wurde der Kurs von Theaterpädagoge Nicolas Jentzsch Hernández.
"Es war eine Bedingung der Schule, dass alle mitspielen, deshalb habe ich ein Ensemble-Stück mit mehreren Idas in verschiedenen Altersphasen geschrieben", erklärte Nicole Heinrich gegenüber TAG24. Begleitet wurde der Kurs von Theaterpädagoge Nicolas Jentzsch Hernández.  © Rey Hernández

TAG24: Welche Botschaft möchtest Du mit Deinem Stück vermitteln?

Nicole: Ida Ehres! Sie stand für ein Theater der Menschlichkeit - für Frieden und Verständigung. Dass ihr Theater ein Ort war, wo Menschen sich begegnen. Dass diese Haltung heute so aktuell ist wie damals.

TAG24: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit der Ida-Ehre-Schule?

Nicole: Ich habe mein Stück über Monika Haeger letztes Jahr dort gezeigt und danach wurde ich vom Oberstufenleiter angesprochen. Der meinte: Ida Ehre würde nächstes Jahr 125 Jahre alt und ob ich nicht Lust hätte, ein Theaterstück zu schreiben. Natürlich habe ich 'Ja' gesagt. Schnell kam dann die Idee auf, dass das Stück in den Kammerspielen aufgeführt werden sollte. So kommt Ehre ein letztes Mal in ihr Theater zurück und das auch noch an ihrem Geburtstag, dem 9. Juli!

TAG24: Wie war die Zusammenarbeit mit den Schülern?

Nicole: Ich wollte, dass die Schüler:innen wirklich etwas über Ehre lernen: Wir uns jede Woche mit einem Akt beschäftigt. Oft habe ich ihnen gesagt: "Hier geht es um ihre Kindheit. Schaut mal in der Biografie auf Seite XY." So haben sie sich ihre Rollen auch inhaltlich erarbeitet. Zum Beispiel haben die Schüler:innen darauf bestanden, dass wir Ida Ehres Affäre mit einem jüngeren Mann einbauen - das fanden sie superspannend. Ich hätte das, ehrlich gesagt, weggelassen.

TAG24: Ist das Stück denn speziell nur für Schüler und Schülerinnen geschrieben?

Nicole: Nein, das Stück ist so geschrieben, dass es auch mit einem professionellen Ensemble funktioniert. Ich würde es wahnsinnig gern noch mal mit Profis auf die Bühne bringen - am liebsten in einem Staatstheater. Aber es ist auch sehr schön, dass es jetzt in der Ida-Ehre-Schule entstanden ist. Das passt einfach.

Tickets für die Premiere von "125 Jahre Ida Ehre" am 9. Juli 2025 gibt es unter hamburger-kammerspiele.de.

Titelfoto: Montage: IMAGO / United Archives, TAG24/Madita Eggers

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