Hamburg - Die belgischen Brüder Jean-Pierre (74) und Luc Dardenne (71) haben am Dienstagabend im Rahmen der Deutschlandpremiere ihres neuen Films die höchste Auszeichnung des Hamburger Filmfests erhalten: den "Douglas Sirk Preis". Für ein Lebenswerk, das seit Jahrzehnten "mit der Kamera genau dorthin geht, wo es unbequem wird: an die Bruchstellen unserer Gesellschaft", wie Filmfestleiterin Malika Rabahallah (55) am Dienstag betonte.
Die Laudatio für das Brüder-Duo hielt Regisseurin Roxana Samadi (24), die vergangenes Jahr mit ihrem Debüt "Freiheit im Herzen - Lasst es uns eilig haben, menschlich zu sein" das Filmfest Hamburg für sich gewonnen hat.
"Ihr Blick auf die Welt, ihr Mut, sich den menschlichen Themen zuzuwenden, macht sie zur perfekten Stimme für diesen Abend", betonte Rabahallah.
In ihrer Rede erklärte Samadi, wie prägend das Werk der Dardennes für sie sei: "Als junge Filmschaffende schöpfe ich Hoffnung aus Ihrer Arbeit. Ihre Filme beleuchten die verborgenen Gegebenheiten unseres Lebens – Geschichten von Menschen, die kämpfen, träumen, scheitern und wachsen, an Orten, die vielen verschlossen bleiben."
Und weiter: "Ihre Werke sind zutiefst humanistisch. Sie schaffen Raum für Empathie. Sie säen Liebe – und zeigen, wie sie geerntet werden kann. Und ohne zu belehren, helfen sie uns, die Augen zu öffnen, statt sie zu verschließen."
Bekannt wurden Jean-Pierre und Luc Dardenne 1999 mit "Rosetta", ihrem international gefeierten Durchbruch, der ihnen gleich ihre erste Goldene Palme in Cannes einbrachte. Ihre Werke sind geprägt von radikalem Realismus, filmischer Klarheit und tiefem Mitgefühl. Die vielfach preisgekrönten Brüder gelten als Referenz des europäischen Autorenkinos.
Trotz ihrer preisverwöhnten Karriere sei der "Douglas Sirk Preis" etwas ganz Besonderes für ihn und seinen Bruder, so Luc Dardenne in seiner Dankesrede: "Er hat uns zu Tränen gerührt. Denn auch der Namensgeber dieses Preises hat die weiblichen Personen in seinen Filmen in ihrer besonderen Rolle hervorgehoben."
Bereits seit 30 Jahren wird der Ehrenpreis an Persönlichkeiten vergeben, die "mit ihrem Schaffen die Filmkultur und die Filmindustrie nachhaltig geprägt haben". Namensgeber ist der in Hamburg geborene Regisseur Douglas Sirk, bekannt für Melodramen wie "Written on the Wind". Clint Eastwood war der erste, der diesen 1995 für sein Lebenswerk entgegennahm.
Trailer zu "Junge Mütter"
Luc Dardenne: "Im Zentrum steht das Mitgefühl"
Im Mittelpunkt des Abends stand der neue Film der Brüder: "Jeunes Mères – Junge Mütter", der auch beim diesjährigen Festival de Cannes bereits mit dem "Prix du Cinéma Positif" ausgezeichnet wurde.
Ein Preis für Filme, die Hoffnung, Widerstandsfähigkeit und Menschenfreundlichkeit fördern.
"Roxana hat gesagt, dass die Ehrlichkeit in unseren Filmen einmalig ist – und das stimmt", so Luc Dardenne.
"Im Zentrum steht das Mitgefühl: das Mitgefühl einer Person mit einer anderen. Dieses ist genau das, was der einen Person dabei hilft, der anderen zu helfen. Das ist tatsächlich unsere Motivation."
Der neue Film bleibt dem Stil der Brüder treu – gedreht wurde wie gewohnt in Seraing, einer heruntergekommenen Industriestadt bei Lüttich in Belgien, in der viele ihrer Filme spielen.
Doch anders als bei früheren Werken setzten die Dardennes dieses Mal auf ein aufwendiges Casting: Junge Darstellerinnen, teils ohne Kameraerfahrung, wurden über Monate hinweg ausgewählt, um die Geschichte junger Frauen zu erzählen, die mit Verantwortung, Mutterschaft, Identität und gesellschaftlichem Druck konfrontiert sind.
Der Film "Junge Mütter" wird im Rahmen des Filmfests Hamburg noch einmal am 3. Oktober um 11.30 Uhr gezeigt. Der bundesweite Kinostart ist für den 14. Mai 2026 angekündigt.