Bombenjobs! Bei ihrer Arbeit ist der Tod immer nicht weit

Sachsen - Der Kampfmittelbeseitigungsdienst Sachsen feiert dieses Wochenende seinen 70. Geburtstag. Auch nach so langer Zeit wird die Arbeit nicht weniger. Sie wird mit den Jahren jedoch unberechenbarer. Kampfmittelbeseitiger machen einen Bombenjob. Aber nicht allein das. Ihre Tätigkeiten sind viel umfangreicher.

Da liegen sie: Der damalige Chef Thomas Lange (69) zeigt drei entschärfte Bomben, in der Dippser Heide.  © dpa/Oliver Killig

Wenn eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg irgendwo in Dresdens Stadtgebiet gefunden wird, bekommt die Öffentlichkeit das mit. Sie ist betroffen von Evakuierungen und fiebert, ob die Entschärfung klappt.

Doch nicht hauptsächlich Bomben beseitigt der 27-Mann-starke Kampfmittelbeseitigungsdienst, sondern Artillerie- und Handwaffenmunition sind das täglich Brot.

Deshalb ist die Zahl der Einsätze hoch: 700 bis 800 Mal im Jahr rückt das Team aus und das seit mehreren Jahren konstant.

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Zu den Aufgaben des Dienstes gehört außerdem die umweltgerechte Vernichtung der Funde. Bomben werden in Scheiben geschnitten und ausgebrannt. "Sprengung ist immer nur die zweite Wahl", so Jürgen Scherf (60), Sprecher des Polizeiverwaltungsamtes.

Zudem werden ein Kampfmittelkataster und eine Luftbild-Auswertung geführt.

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Bei allen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr läuft es doch manchmal anders als geplant: Zum Beispiel 2018, als die Bombe von Löbtau plötzlich teildetonierte (TAG24 berichtete).

Das ist nur einer der herausragenden Fälle, die unvergessen bleiben bei den Kollegen: 2013 entschärften sie elf Bomben in sieben Stunden. 2017 entschärften sie eine in Heidenau gefundene 250-Kilo-Bombe deutscher Bauart mit russischem Zünder.

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In Zeithain, in der Zerlegeeinrichtung, werden die Bomben in Scheiben geschnitten.  © Steffen Füssel

Zu den lustigeren Einsätzen zählt der Einsatz (2010) bei Oma Erika, die ihre Wäsche 60 Jahre lang an einem Kanonenrohr aufgehängt hatte. Das war noch zu Zeiten, als Thomas Lange (69) Chef-Sprengmeister war. Er prägte den Kampfmittelbeseitigungsdienst 29 scharfe Jahre lang, bis Ende 2016. Sein Nachfolger Holger Klemig (57) führt nun seine Arbeit fort, die sich verändert hat.

Weil die Zeit auch an Bomben und Munition nicht spurlos vorbei gezogen ist, "sind die Einsätze unberechenbarer geworden", so Jürgen Scherf.

Wie ein völlig verrosteter Zünder reagiert, ist eben nicht immer eindeutig zu sagen. Das Material verändert sich. Die Sprengmeister und ihre Gehilfen haben keinen ungefährlichen Job: "Ein Kampfmittelbeseitiger irrt sich nur einmal", so Scherf.

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Er verrät: "Im Speiseraum des Kampfmittelbeseitigungsdienstes hängt ein Bild der heilige Barbara, zu ihrem Gedenktag danken die Kollegen jedes Jahr, dass es keine schweren Unfälle oder Tote gab."

Was die Beräumung kostet

Den Kampfmittelbeseitigungsdienst Sachsen gibt es seit 1949.  © Steffen Füssel

Schon während des Zweiten Weltkriegs wurden - noch dezentral organisiert - nach Bombenangriffen Gebiete beräumt.

Die Geburtsstunde des Kampfmittelbeseitigungsdienstes kam erst im Sommer 1949 und geht auf eine Anordnung der damaligen sächsischen Landesverwaltung zurück. Bei der Landespolizeibehörde wurde eine Abteilung "Vernichtung von Kriegstechnik" eingerichtet. Ihr wurde die Aufgabe übertragen, Kriegswerkzeuge, Kriegstrophäen, Sprengstoffe und -mittel, Granaten und Bomben zu beseitigen.

Der Schwerpunkt der Arbeit war von je her von der gesellschaftlichen Entwicklung geprägt. Während in den 50er und 60er Jahren die Munitionsberäumung an wichtigen Standorten der Grundlagenindustrie im Mittelpunkt standen, so waren es in den 70er und 80er Jahren die Standorte des DDR-Wohnungsbauprogrammes.

Heute werden die von Sachsen übernommenen militärisch genutzten Liegenschaften von Kampfmitteln beräumt und zukünftige Industriestandorte bei Verdacht abgesucht. Sechs Millionen Euro kostet die Beräumung im Jahr. Die Kosten für die Beseitigung von deutscher Munition wird vom Bund getragen.

Sprengung von Panzergranaten und Minen bei Altenberg. Sie waren nicht mehr transportfähig.  © Egbert Kamprath
Holger Klemig (57) ist seit Ende 2016 Chef-Sprengmeister.  © Steffen Füssel
Bei dem Versuch der Entschärfung kam es im letzten Jahr zu einer Teildetonation in Löbtau.  © Sebastian Kahnert/dpa

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