In Karl-Marx-Stadt formte er die großen Ost-Stars von heute: Glückwunsch, Hartwig Albiro

Chemnitz - Hoch soll er leben! Der große Theatermann Hartwig Albiro feiert am Donnerstag seinen 90. Geburtstag. Als Schauspiel-Direktor prägte er von 1971 bis 1996 die Kultur von Karl-Marx-Stadt und Chemnitz - und spielte eine bedeutende Rolle bei der Wende. Im Gespräch mit TAG24 blickt er zurück auf sein bewegtes Leben.

Der frühere Schauspiel-Direktor Hartwig Albiro (90) blickt zum 90. Geburtstag auf seine lange Karriere zurück.
Der frühere Schauspiel-Direktor Hartwig Albiro (90) blickt zum 90. Geburtstag auf seine lange Karriere zurück.  © Kristin Schmidt

Der gebürtige Thüringer arbeitete sich in den 1950er- und 60er-Jahren auf den DDR-Bühnen nach oben, bis er 1968 den Sprung ans berühmte Berliner Ensemble schaffte.

Doch seine wichtigste Zeit begann erst, als er 1971 als Direktor an das Schauspielhaus Karl-Marx-Stadt kam. "Hier gab es eine befreiende Nische", erinnert sich Hartwig Albiro heute. "Die hätte ich wohl nirgends anders gefunden. In Berlin wäre ich einer von vielen gewesen - von Karl-Marx-Stadt aus konnte ich das DDR-Theater prägen."

Unter seiner Leitung wurde die Chemnitzer Bühne zum Sprungbrett für große Talente: "Meine erste Regie-Arbeit in Chemnitz waren 'Die Räuber' von Friedrich Schiller.

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Michael Gwisdek spielte den Karl Moor, Peter Sodann den Franz Moor." An ihrer Seite auf der Bühne standen Andreas Schmidt-Schaller (76), Dietmar Huhn (77), Horst Krause (79) und Jörg Gudzuhn (76) - allesamt schafften später den Durchbruch. "Meine ‚Räuberbande‘ ist groß rausgekommen", sagt Albiro schmunzelnd.

Doch 1976 kam die Katastrophe: "Nach der Generalprobe eines sehr politischen Stücks - 'Tinka' von Volker Braun - brannte das Schauspielhaus in der Nacht komplett aus." Bis heute vermutet Hartwig Albiro dahinter Sabotage, denn das Stück war der Obrigkeit ein Dorn im Auge: "Nach dem Brand hieß es, die Stasi wollte die Premiere verhindern."

Das Ensemble hatte fortan keine feste Spielstätte mehr, bis 1980 endlich das neue Schauspielhaus eröffnete.

In Chemnitz startete die Friedliche Revolution am 7. Oktober 1989 mit einem Schweigemarsch - das Theater spielte dabei eine Hauptrolle.
In Chemnitz startete die Friedliche Revolution am 7. Oktober 1989 mit einem Schweigemarsch - das Theater spielte dabei eine Hauptrolle.  © Peter Forkel, Repro: Uwe Meinhold

Friedliche Revolutionäre

Hartwig Albiro führte das Schauspielhaus durch die bewegte Wendezeit.
Hartwig Albiro führte das Schauspielhaus durch die bewegte Wendezeit.  © PR

Den nächsten Wendepunkt kann Hartwig Albiro auf den Tag genau datieren: Er kam am 7. Oktober 1989. "Wir haben die Friedliche Revolution in Chemnitz spontan gestartet", sagt er rückblickend.

"Im 'Luxor' gab es ein Festwochenende zum 40. Jahrestag der Republik. Das wollten wir nicht mitmachen!"

Er und sein Team bereiteten stattdessen eine Lesung mit kritischen Texten vor.

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Das Programm wurde verboten - da strömten die Chemnitzer erst recht herbei. "Vor dem 'Luxor' hatten sich Tausende Menschen versammelt, der Zuschauerraum war überfüllt." Der Pulk formierte sich zum Schweigemarsch durch die Stadt. "Wir wurden mit Wasserwerfern auseinandergetrieben."

Doch die Friedlichen Revolutionäre gaben nicht klein bei: Am Abend verlas Hartwig Albiro im Schauspielhaus eine Resolution, die den Staat scharf angriff. "Da brach ein Sturm der Begeisterung los." Zwei Tage später, am 9. Oktober, setzte die Wende ein.

Zuletzt stand der frühere Direktor im Jahr 2011 in "Arsen und Spitzenhäubchen" auf der Bühne.
Zuletzt stand der frühere Direktor im Jahr 2011 in "Arsen und Spitzenhäubchen" auf der Bühne.  © Kristin Schmidt
Hartwig Albiro im Jahr 1983 am Regiepult des Schauspielhauses - hier war er jahrzehntelang zu Hause.
Hartwig Albiro im Jahr 1983 am Regiepult des Schauspielhauses - hier war er jahrzehntelang zu Hause.  © Sieglinde Gemarius de Kepper, Repro: Kristin Schmidt

Noch immer nicht müde

Hartwig Albiro (90) feierte 2019 mit der damaligen Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (59, SPD), als der Kulturhauptstadt-Titel näher rückte.
Hartwig Albiro (90) feierte 2019 mit der damaligen Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (59, SPD), als der Kulturhauptstadt-Titel näher rückte.  © Kristin Schmidt

1996 ging der damals 64-Jährige in Rente - doch "Ruhestand" wäre dafür das falsche Wort.

Immer wieder kehrte er als Schauspieler auf die Bühne zurück, er engagiert sich bis heute beim "Chemnitzer Friedenstag" und in der Stefan-Heym-Gesellschaft.

Auch bei der Kulturhauptstadt-Bewerbung packte er mit an.

Für seinen 90. Geburtstag hatte Hartwig Albiro eine große Feier im Theaterclub geplant. "Die will ich im Mai nachholen."

Titelfoto: Kristin Schmidt

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