Kurios, selten, rostig: Warum zwei Sachsen auf alte Fahrrad-Plaketten stehen
Chemnitz - Zwei Männer, mehr als 200 Räder und eine Leidenschaft für winzige Schilder mit großer Geschichte. Steuerkopfschilder sind für Ludwig Karsch (51) und Alexander Feller (57) mehr als Zierde.

Ludwig Karsch reicht seinem Freund Alexander Feller eine rot-silberne Plakette: "Ich habe hier noch eins, das hast Du noch nicht."
In seiner Hand liegt ein seltenes Steuerkopfschild der Fahrradmarke Diamant. Bis etwa 1952 schmückte es Fahrräder dort, wo Gabel und Rahmen verbunden sind. Steuerkopfschilder dienen zur Zierde und Wiedererkennung der Marke.
"Auf dem Schild steht die Firma drauf und aus welcher Stadt sie kommt", erklärt Karsch. Manchmal ist zudem die Modellnummer eingraviert. Sie sind nicht immer aus Metall, es gibt sie auch als Aufkleber und Abziehbilder.
Alexander Feller steckt die Plakette auf ein großes Board - zu über 50 weiteren Steuerkopfschildern. "Die Sammlung von Ludwig und mir hängt bei mir im Flur", erzählt er.
Karsch ergänzt: "Steuerkopfschilder werden schon lange gesammelt. Es sind mehr Schilder als Fahrräder übrig geblieben." Er selbst sei als Kind über den Schrottplatz gelaufen und habe die Steuerkopfschilder an aussortierten Rädern abgemacht.
Aus Freundschaft wurde eine Sammlung mit Geschichte


Die beiden Männer kennen sich seit 2013. Karsch ist Vereinsvorsitzender des Museums für sächsische Fahrzeuge Chemnitz, Feller bildet bei Diamant die Zweiradmechatroniker aus. Sie verbindet die Sammel-Leidenschaft.
Gemeinsam haben sie über 200 Räder. Darunter finden sich neben Marken wie Diamant, Wanderer und Dürkopp auch Kuriositäten und Seltenheiten wie ein Unisex-Rad aus den 1930ern oder ein Fahrrad aus dem Jahr 1892. Zudem haben sie "The Stripper" - ein Diamantrad aus den 1990ern im Originalzustand.
"Das gab es etwa zwei Jahre, aber wurde wegen Rostproblemen viel reklamiert", erklärt Feller. In der Sammlung ergänzen sich die Männer: Karsch legt seinen Fokus auf Räder aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Feller interessiert sich für Räder aus der Nachkriegszeit, Post- und besondere Lastenräder: "Das ist ein Stück Alltagsgeschichte."
Manchmal baut Feller die historischen Räder mit seinen Azubis ähnlich dem Originalzustand auf. "So machen wir mal etwas, das in der Praxis nicht so gängig ist." Aber: "Wenn man ein Rad restauriert, muss man das passende Steuerkopfschild finden."
Mit Herz und Schraubenschlüssel

Ein Kommentar von Amélie Fromm
Sammeln - das liebt man oder das hasst man. Was mancher als Spleen für Gerümpel abtut, entpuppt sich bei Alexander Feller und Ludwig Karsch als historische Schatzkammer.
Als mir die Männer ihre Fahrrad-Sammlung zeigen, sehe ich mehr als nur alte Drahtesel. Ich sehe ein Stück Chemnitzer Historie.
Ich sehe die Geschichte der Räder - sei es die der Vorbesitzer oder die, wie das Rad zu Feller und Karsch kam. Ich sehe Liebe zum Detail, Begeisterung und Hingabe. Ich sehe strahlende Augen während unserer Unterhaltung und Bereitschaft, Fachwissen zu teilen. Hier geht es nicht nur um Technik, sondern um wahrhaftige Leidenschaft. Da geht mir das Herz auf.
Natürlich drängt sich die Frage auf: Was will man mit über 200 Rädern? Sie stehen in einer Halle, stauben ein, verlieren Luft und werden irgendwann einmal abgestaubt. Sammler brauchen keinen Nutzwert. Für sie geht es meist ums Haben, Bewahren und die Freude, einen besonderen, kuriosen oder seltenen Gegenstand zu besitzen.
Bei Ludwig Karsch und Alexander Feller stehen am Ende nicht Besitzen, Aufheben und Bewahren im Vordergrund. Sondern ein gemeinsames Interesse, das verbindet. Sie tüfteln, schrauben, fachsimpeln - und ganz nebenbei pflegen sie eine Männerfreundschaft, bei der das Herz genauso mitklappert wie ein altes Schutzblech.
Titelfoto: Detlev Müller