Chemnitzer Professorin kritisiert: Deutschland behandelt nicht alle Flüchtlinge gleich

Chemnitz - Die Krise in der Ukraine löste in Deutschland eine Welle der Solidarität aus. Auch in Chemnitz war die Unterstützung groß. Die Professorin für Humangeografie der TU Chemnitz, Birgit Glorius (41), kritisiert allerdings die gravierenden Unterschiede, die mit der Hilfsbereitschaft einhergehen.

Prof. Dr. Birgit Glorius (41) bemängelt die Ungleichbehandlung Geflüchteter verschiedener Herkunft
Prof. Dr. Birgit Glorius (41) bemängelt die Ungleichbehandlung Geflüchteter verschiedener Herkunft  © Jacob Müller

"Die Hilfe für die Ukrainer finde ich toll! Aber es zeigt sich, dass die Vorbehalte im Umgang größer sind, je dunkler die Hautfarbe des Schutzsuchenden ist", sagt Glorius.

"Das Leid der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine wird offensichtlich mit viel mehr Empathie wahrgenommen als das von Geflüchteten anderer Länder."

So dürfen Ukrainer kulturelle Einrichtungen kostenlos besuchen, in manchen Kommunen ist sogar die Nutzung des Nahverkehrs für Ukrainer gratis.

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Für Dave Schmidtke (32) vom sächsischen Flüchtlingsrat ist das Phänomen nicht neu: "Die Ungleichheit war von Anfang an zu spüren. Es gab eine Menge Leute, die Ukrainer sogar in ihren Privatwohnungen aufgenommen haben. Mich freut das für die Ukrainer sehr, aber wie sollen sich andere Geflüchtete fühlen?"

Ein Indiz für diese Unterschiede sei laut Schmidtke die Angst vor dem Islam: "Die Ukraine ist sehr nah. Die kulturellen und religiösen Ansichten sind ähnlich der Deutschen. Für viele Menschen sind Muslime noch immer befremdlich."

Es ist zu hoffen, dass auch Geflüchtete anderer Herkunft Solidarität erfahren, denn hinter jedem Menschen, der sein Land verlässt, steht ein Schicksal.

Für Dave Schmidtke (32) ist die "selektive Solidarität" keine Neuheit. Als Hauptgrund benennt er die Angst vor dem Islam in Deutschland.
Für Dave Schmidtke (32) ist die "selektive Solidarität" keine Neuheit. Als Hauptgrund benennt er die Angst vor dem Islam in Deutschland.  © privat

Recht auf Würde

Kommentar von Robert Preuße

Geflüchtete aus der Ukraine erhalten eine erste Versorgung und Übernachtungsmöglichkeiten.
Geflüchtete aus der Ukraine erhalten eine erste Versorgung und Übernachtungsmöglichkeiten.  © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Flüchtlinge gibt es überall auf der Welt - und gab es schon immer. Die Menschen fliehen aus unterschiedlichsten Gründen aus ihrer Heimat. Die vier gravierendsten sind immer: Hunger, Krankheit, Klima und Krieg.

Insbesondere die letztgenannte Fluchtursache bekommen wir Deutschen in den letzten Jahren immer häufiger zu spüren - wenn auch nur indirekt: Seit 2015 kamen syrische Flüchtlinge in unser Land, seit Februar dieses Jahres sind es ukrainische Flüchtlinge - und seit vielen Jahren schon kommen afrikanische Hilfesuchende über das Mittelmeer nach Nordeuropa.

Dass, wie die Professorin Birgit Glorius von der TU erklärt, ukrainischen Flüchtlinge mehr Einfühlungsvermögen entgegengebracht wird als dunkelhäutigen Menschen, ist verstörend. Die Gründe dafür erscheinen nachvollziehbar: Der ukrainische Kulturkreis ist uns Deutschen näher als der orientalische Kulturkreis - zumal dieser nicht christlich, sondern muslimisch geprägt ist. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Ukraine ein europäisches Land ist und Kiew nur circa zwei Flugstunden von Berlin entfernt ist.

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Nichtsdestotrotz sollten wir uns - trotz aller kultureller Differenzen - darum bemühen, allen Menschen gleich viel Anerkennung und Respekt entgegenzubringen - denn das hat jeder Mensch verdient. Jeder Mensch hat gleichermaßen das Recht auf Würde. Das müssen wir uns immer wieder klarmachen.

Titelfoto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Jacob Müller

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