Das war knapp! Weihnachts-Hochwasser in Chemnitz schlägt nachträglich Wellen
Chemnitz - Kaum Vorwarnzeit und rasend schnell steigende Pegel: Chemnitzer, die in der Nähe von Würschnitz, Zwönitz und Chemnitzfluss wohnen, bekamen es am 24. Dezember mit der Angst vor einer neuen Flutkatastrophe zu tun.

Das Weihnachts-Hochwasser in Chemnitz schlägt auch heute noch hohe Wellen. Denn jetzt werden Forderungen nach Konsequenzen laut - und nach einem neuen Anlauf für ein Regenrückhaltebecken in Jahnsdorf.
Schneeschmelze und Dauerregen bescherten ein Novum, das Experten nahezu ausgeschlossen hatten: Die Flüsse Würschnitz und Zwönitz führten gleichzeitig Hochwasser.
In der Folge stieg der Pegel der Chemnitz auf kritische Höhe: Nur 15 Zentimeter fehlten bis zur höchsten Alarmstufe 4, die ein großflächiges Überlaufen des Flusses anzeigt.
Auch Ralf Kirchübel (64) von der Bürgerinitiative "Hochwasserschutz Würschnitztal" bangte: "Das war an der Schmerzgrenze. Am 'Blauen Wunder' in Harthau passen maximal 75 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch. Da war nicht mehr viel Platz."
Laut Landeshochwasserzentrum rauschten unter der Brücke gegen 9.45 Uhr sekündlich 70,3 Kubikmeter durch. 30 Minuten vorher hatte das Hochwasser der Zwönitz am offiziellen Pegel in Burkhardtsdorf seinen Scheitel erreicht.

"Es muss dringend geklärt werden, welche Schlüsse für den Hochwasserschutz zu ziehen sind."

"Es ist eingetreten, was es nach den Berechnungen der Fachleute hätte nicht geben sollen. Die Wasserhöchststände beider Flüsse erreichten nahezu gleichzeitig die Chemnitz", sagt Stadträtin Ines Saborowski (56, CDU): "Es muss dringend geklärt werden, welche Schlüsse für den Hochwasserschutz zu ziehen sind."
Die CDU-Stadtratsfraktion will deshalb den Leiter der Chemnitzer Feuerwehr, die Ortsvorsteher von Klaffenbach, Einsiedel und die Bürgerinitiative Hochwasserschutz Anfang Februar an einen Tisch bringen.
Von der Landestalsperrenverwaltung heißt es: "Die Beobachtungen und Wasserstände werden in der Aktualisierung der Hochwasserschutzkonzepte berücksichtigt." Ralf Kirchübel fordert: "Bei der Kosten-Nutzen-Rechnung für ein Regenrückhaltebecken muss die Chemnitzer Innenstadt einbezogen werden."
Die Bürgerinitiative hofft auf Rückenwind durch Stadtrat und Oberbürgermeister und darauf, "dass der Sächsische Umweltminister zwei Jahre nach unserer Einladung nun doch mal nach Harthau kommt."
Gefährliche Fluten in Chemnitz

Seit der Jahrtausendwende gab es drei große Hochwasser-Ereignisse in Chemnitz: Im August 2002 und 2010 führte vor allem die Würschnitz Wassermassen, die auch die Chemnitz über die Ufer treten ließen.
In Neukirchen ertranken 2010 drei Menschen in einem Keller. Im Juni 2013 wurde die Flut vor allem aus der Zwönitz gespeist.
Die Chemnitz erreichte einen Höchststand von 3,84 Meter und setzte unter anderem die Annaberger Straße am Eisenbahnviadukt unter Wasser.
Stille Gefahr
Kommentar von Mandy Schneider

Im Vergleich zur imposanten Elbe in Dresden ist die normalerweise beschaulich plätschernde Chemnitz leicht zu unterschätzen - ebenso wie Zwönitz und Würschnitz. Dabei ist Chemnitz bei Starkregen durch Hochwasser so gefährdet wie kaum eine andere deutsche Großstadt.
Das Hochwasser kommt blitzschnell und fließt auch schnell wieder ab. Die Bürger, die das mehrfach am eigenen Leib erfahren haben, fordern seit Jahren ein Regenrückhaltebecken, in der Hoffnung, dass es die Flutwelle mildern kann oder sich wenigstens Vorwarnzeiten verlängern.
Bis jetzt fanden sie bei Landesbehörden und -politikern kein Gehör. Einige der Argumente, mit denen ein solches Becken abgelehnt wurde, sind nach dem jüngsten Hochwasser zumindest fraglich.
Das Gute daran: Chemnitz ist noch einmal davongekommen und das Anliegen der Bürger bekommt neuen Schwung aus der Politik. Die Stadtspitze wäre gut beraten, am selben Strang zu ziehen. Denn scheinbar stille Wasser können besonders gefährlich werden.
Titelfoto: Ralph Kunz (2)