Falls der Blackout kommt, die Chemnitzer Funker sind vorbereitet

Chemnitz - Mit der Gründung des Radioclubs begann vor 100 Jahren die Geschichte des Rundfunks in Chemnitz. Heute begeistern sich rund 70 Funkamateure für die Technik, mit der sie Verbindung in die ganze Welt aufnehmen.

Die Funkamateure Jürgen Schneider (76, r.) und Wolfgang Seidel (72) nehmen von ihrer Vereins-Station in der Altchemnitzer Straße Kontakt in die ganze Welt auf.
Die Funkamateure Jürgen Schneider (76, r.) und Wolfgang Seidel (72) nehmen von ihrer Vereins-Station in der Altchemnitzer Straße Kontakt in die ganze Welt auf.  © Uwe Meinhold

Die meisten sind Männer im Rentenalter - aber keineswegs von gestern. In Zeiten digitalen Mobilfunks für jedermann halten sie bewusst am vermeintlich veralteten Analogfunk fest. Im Notfall wollen sie der Rettungsanker für Chemnitz sein.

"Bei einem länger anhaltenden Stromausfall funktioniert kein Handynetz mehr, ebenso wenig der Digitalfunk, mit dem Rettungskräfte normalerweise Einsätze koordinieren", sagt Funkamateur Andreas Auerswald (71).

Das Szenario solcher Blackouts ist laut einer Risikoanalyse der Bundesregierung "sehr unwahrscheinlich, kann aber generell nicht vollständig ausgeschlossen werden".

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Trifft ein solcher Notfall die Chemnitzer Region, wollen die Funker vorbereitet sein und helfen. "Unsere Mitglieder haben transportable Funkgeräte. Damit können wir über eine vereinbarte UKW-Frequenz ein Notfallnetz aufbauen", so Auerswald. "Das haben wir schon ausprobiert."

Funken ist für Jürgen Schneider (76) eine schöne Art der Völkerverständigung - und im Notfall auch mehr.
Funken ist für Jürgen Schneider (76) eine schöne Art der Völkerverständigung - und im Notfall auch mehr.  © Uwe Meinhold

Notfall-Übung für den Ernstfall

Andreas Auerswald (71) zeigt auf der Karte, mit welchen Orten der Welt die Funkamateure schon Verbindung aufgenommen haben.
Andreas Auerswald (71) zeigt auf der Karte, mit welchen Orten der Welt die Funkamateure schon Verbindung aufgenommen haben.  © Uwe Meinhold

Die Funkamateure haben ihr Angebot vor zwei Jahren der Berufsfeuerwehr und Vertretern der Stadtverwaltung unterbreitet. "Wir sind auf offene Ohren gestoßen. Das ist nicht selbstverständlich. Es gibt Behörden, die das ablehnen."

Im Fall eines Blackouts soll ein Funkamateur mit seinem Gerät die Leitstelle in der Schadestraße aufsuchen - und von dort aus andere Vereinsmitglieder an Einsatzpunkte schicken, von denen die Behörden aktuelle Informationen benötigen.

Damit alles klappt, planen die Funker eine neue Notfall-Übung. Dann simuliert die vereinseigene Station in der Altchemnitzer Straße die echte Leitstelle, die Luftlinie nur einen Kilometer entfernt liegt.

Hilfe in der Not

Kommentar von Mandy Schneider

Auf dem Dach der Altchemnitzer Straße 52 ist die Riesenantenne der Funkstation montiert.
Auf dem Dach der Altchemnitzer Straße 52 ist die Riesenantenne der Funkstation montiert.  © Uwe Meinhold

An normalen Tagen erscheinen Katastrophen wie ein Blackout weit, weit weg. Mancher belächelt vielleicht sogar die Krisenpläne, die Chemnitzer Funkamateure schmieden.

Doch Notfälle haben die Eigenart der Unvorhersehbarkeit: Durch Wetterextreme, Cyberangriffe, die Verkettung unglücklicher Zu- und technischer Ausfälle ist es durchaus möglich, dass mindestens regional das Stromnetz für längere Zeit ausfällt. Wer sich vor Augen führt, was in diesem Fall alles nicht mehr funktioniert, ahnt, was das bedeuten kann und wie verwundbar die Gesellschaft ist. Dann wird es dunkel, kalt und still.

Dass Hobbyfunker bei Katastrophen tatsächlich eine wichtige Hilfe sein können, zeigte sich in Sachsen beispielsweise beim Elbehochwasser 2002, als der Behördenfunk überlastet war und Funkamateure ihr Netz für die Kommunikation zwischen Evakuierungsstellen zur Verfügung stellten.

Eine Stadt ist gut beraten, den Sachverstand der Amateure im Notfall zu nutzen. Und noch besser ist es, wenn - wie in Chemnitz - die Abstimmung dafür schon geschieht, bevor es zur Krise kommt.

Titelfoto: Uwe Meinhold

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