Lulatsch ist Nichtraucher: Was wird jetzt aus der Chemnitzer Esse?

Chemnitz - Um 10.50 Uhr war es am heutigen Donnerstag soweit: Nach einem "Glück Auf!" und mit dem Singen des Steigerlieds drückten Wirtschaftsingenieurin Babette Peter und Heiner Hünig (85), damals leitender Ingenieur beim Bau des Heizkraftwerks I, auf den roten Knopf. Die Kohleverbrennung zur Energiegewinnung ist in Chemnitz somit beendet.

OB Sven Schulze (52, SPD), eins-Chef Roland Warner (61) und Sylvio Krause (58, v.l.) , Bürgermeister von Amtsberg.
OB Sven Schulze (52, SPD), eins-Chef Roland Warner (61) und Sylvio Krause (58, v.l.) , Bürgermeister von Amtsberg.  © eins energie/Kristin Schmidt

Auch Andreas Schultheiß (64) schaute zu. Für ihn war es ein besonderer Tag, denn er arbeitet seit 1976 am Standort in Furth und seit 1986 im Heizkraftwerk II, welches in jenem Jahr in Betrieb ging. Seine Position: Haupterzeugungsleiter im Leitstand. Mit dem Kohleausstieg endet auch für ihn eine Ära.

"60 Jahre Braunkohleverbrennung gehen heute an diesem Standort zu Ende", sagt Roland Warner (61), Vorsitzender der Geschäftsführung von eins energie.

Bereits vor acht Jahren wurde die Entscheidung zum Kohleausstieg getroffen. Zwei Gasmotorenkraftwerke, die bereits 2023 in Betrieb gingen, erzeugen künftig Wärme und Strom. Damit soll der CO2-Ausstoß um 60 Prozent verringert, der Energieversorger bis 2045 klimaneutral werden. 216 Millionen Euro wurden bereits dafür investiert.

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Andreas Schultheiß erinnert sich noch an kalte Winter im Kraftwerk: "Es war immer eine Herausforderung, in dieser Zeit die Kohle bis zum Kessel hochzubringen." Er ist weiterhin als Leiter der Erzeugung tätig und betreut unter anderen die neuen Anlagen. In zwei Jahren geht er in Rente. Dann endet die nächste Arä. Heiner Hünig schaut mit einem weinenden Auge zurück: "Die Abschaltung macht mich sehr traurig, da die Anlage in einem sehr guten Zustand ist", sagt der 85-Jährige.

Heiner Hünig (85, r.), damals leitender Ingenieur beim Bau des Heizkraftwerks I, und Andreas Schultheiß (64), Haupterzeugungsleiter im Leitstand.
Heiner Hünig (85, r.), damals leitender Ingenieur beim Bau des Heizkraftwerks I, und Andreas Schultheiß (64), Haupterzeugungsleiter im Leitstand.  © Uwe Meinhold

Vor 130 Jahren fing alles an mit der Errichtung eines Elektrizitätskraftwerkes an der Müllerstraße. Dort wurde Steinkohle verbrannt. 1997 wurde das Heizkraftwerk I abgeschaltet und am heutigen Donnerstag nun auch das Heizkraftwerk II. Die Abschaltung wurde per Livestream auf YouTube übertragen. Circa 1100 Zuschauer schauten beim Ereignis zu. Circa 68.000 Chemnitzer Haushalte versorgt eins energie.

Was wird jetzt aus Sachsens höchstem Bauwerk?

Der "Lulatsch" hat mit der Abschaltung des Heizkraftwerks II Nord seit dem heutigen Donnerstag keine Funktion mehr. Was passiert mit dem höchsten Bau- und Kunstwerk Sachsens?

"Es gibt keine Planungen, die sich mit einem Abriss des Schornsteins befassen", sagt Roland Warner (61), Vorsitzender der Geschäftsführung von eins energie. Der Schornstein werde auch weiterhin beleuchtet. Wie lange das so bleibt, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar.

Jedoch gibt es eine Lösung für den kleinen Bruder vom Lulatsch, den Schornstein mit einer Höhe von 250 Metern am Heizwerk Altchemnitz: "Hier gibt es eine technische Notwendigkeit, die Esse abzureißen", sagt der 61-Jährige.

Für den knapp 302 Meter hohen Lulatsch in Furth gebe es im Gegensatz dazu keine Notwendigkeit, diesen abzureißen. Der Lulatsch wird also in Zukunft weiter bunt erstrahlen. Für eine mögliche touristische Erschließung der Esse wären zwar umfangreiche Investitionen nötig, jedoch sei die Geschäftsführung einem solchen Plan nicht ganz abgeneigt.

Mit dem Singen des Steigerlieds drückten Wirtschaftsingenieurin Babette Peter und Heiner Hünig (85), damals leitender Ingenieur beim Bau des Heizkraftwerks I, auf den roten Knopf.
Mit dem Singen des Steigerlieds drückten Wirtschaftsingenieurin Babette Peter und Heiner Hünig (85), damals leitender Ingenieur beim Bau des Heizkraftwerks I, auf den roten Knopf.  © Uwe Meinhold

Sächsischer Eiffelturm: Kommentar von Sebastian Gogol

Eines der letzten Fotos vom rauchenden Lulatsch. Seit dem heutigen Donnerstag ist er Nichtraucher.
Eines der letzten Fotos vom rauchenden Lulatsch. Seit dem heutigen Donnerstag ist er Nichtraucher.  © Uwe Meinhold

Seit heute raucht unser Lulatsch nicht mehr. Es wird ungewohnt sein, die Esse ohne die Rauchschwaden zu sehen. Man stelle sich ein Räuchermännel vor, was nicht mehr dampft. So steht er nun erst mal weiterhin da im Norden von Chemnitz - ohne Kopfbedeckung.

Jedoch passiert das alles auch aus gutem Grund: Die CO2-Emissionen können durch die Abschaltung des Kraftwerks verringert werden. Das ist ein guter Preis, den wir dafür zahlen. Es muss einiges getan werden, um dem Klimawandel entgegenzutreten. Die chaotischen Wetterphasen der vergangenen Jahren haben aufgezeigt, wie unser Klima auch durch Kohlekraftwerke geschädigt wurde.

Wie kann die bunte Esse genutzt werden? Ich hätte da einen Vorschlag: In Paris steht auch ein Bauwerk mit einer Höhe von 300 Metern. Einst sollte es abgerissen werden, doch dann konnte sich der Eiffelturm als Symbol der Franzosen durchsetzen.

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Einen "Sächsischen Eiffelturm" als Aussichtsturm in Bunt mit einem Ausblick bis zum Fichtelberg hätte doch was, nämlich ein Alleinstellungsmerkmal in Sachsen. Das klingt für mich nach einer guten Aussicht in die Zukunft des Lulatsch!

Titelfoto: Uwe Meinhold

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