Mission Energiewende: Chemnitzer Kleingärtner machen als Klimaretter mobil
Chemnitz - Alle reden über die Energiewende, Kleingärtner nicht. In ihren Lauben kommt Strom aus der Steckdose. Doch die ersten Chemnitzer Gärtner experimentieren mit (legalen) mobilen Solarzellen und (laut Bundeskleingartengesetz nicht ganz legalen) Stromerzeugern auf dem Dach.
Der Stadtverband der Kleingärtner brütet bereits über dem Thema. Geschäftsführerin Suzanne Krauß (53) weiß um die Probleme: "Wohin mit dem Strom? Laden von Akkus ist erlaubt, das Einspeisen ins Netz nicht, weil die Stromnetze in der Regel den Vereinen gehören. Aber wir sind im Austausch mit dem Bundesverband, um neue Möglichkeiten der Stromversorgung zu finden."
Holger Rockstroh (41) ist für Solar. Der Vorsitzende der Gartensparte Alte Radrennbahn wurde von Mitgliedern schon darauf angesprochen. Er sagt: "Die Sonne scheint. Warum sollten wir die Energie nicht nutzen? Das antiquierte Kleingartengesetz muss überarbeitet werden."
Dietmar Axthelm (70) vom Verein Sonnenland in Schönau plant ein Balkon-Kraftwerk für die nächste Saison, "um explodierende Strompreise aufzufangen". Jürgen Michler (64, "Sommerlust") möchte mit Solardächern junge Mitglieder anlocken.
Jörg Augustin (54) montierte in der Sparte "Am Kaulbachhang" eine Solarlampe. Er würde gern mehr Strom produzieren - "für die Umwelt und um ein paar Pfennige zu sparen". Karin Schröder (68) hat kein Interesse: "Wir Alten bauen keine neue Stromversorgung mehr auf."
Um sie herum liegen die ersten Solarplatten auf Dächern. Ein Gartennachbar (63): "Der Trend wird sich in Kleingärten nicht aufhalten lassen."
Wo die Sonne scheint
Kommentar von Bernd Rippert
Die Energiewende funktioniert nur, wenn wir sie überall wagen. Das gilt auch für Kleingärten, Erholungsanlagen oder Parks.
Überall dort, wo die Sonne scheint, sollten wir sie einfangen und für die Stromerzeugung nutzen. Denken wir doch nur mal an die Chemnitzer Kleingärten. 179 Vereine gibt es, also gut 14.000 Gärten und Gartenhäuschen.
Bei im Mittel 20 Quadratmeter Dachfläche wären das 280.000 potenzielle Quadratmeter für Photovoltaik oder Sonnenkollektoren. Allein in Chemnitz wohlgemerkt. In jeder anderen Stadt stehen weitere Kleingärten.
Warum sollten Kleingärtner nur Obst und Gemüse ernten? Eine reiche Energieernte käme hinzu. Dazu müsste aber zunächst das Bundeskleingartengesetz geändert werden. Was sowieso längst an der Zeit wäre, stammen die gültigen Paragrafen doch aus dem Jahr 1983 mit Wurzeln zurück bis 1919.
Seitdem ist viel Zeit ins Land gegangen. So mancher Kleingärtner ärgert sich heute über WC-Gruben oder über starre Regeln zum Wohnen im Garten. Da wäre eine Änderung dringend nötig. Auch bei der Stromerzeugung.
Titelfoto: Ralph Kunz