Verzweifelte Nachwuchs-Suche: In Chemnitz-Grüna stirbt das Handwerk aus
Chemnitz - Im beschaulichen Chemnitz-Grüna, am westlichen Rand der Stadt, blüht noch das traditionelle Handwerk: Hier hämmert der Schmied in Nachbarschaft zum Schuster, um die Ecke arbeiten Steinmetz und Gürtler. Doch die Betriebe bangen um ihre Zukunft - der Nachwuchs fehlt.

Die Schuster-Werkstatt "Max Neubert" feiert dieses Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum. Chef Andreas Neubert (70) arbeitet hier seit 53 Jahren, 1991 übernahm er das Geschäft schließlich von seinem Vater.
Bis zur Wende habe es in Grüna drei Schuster gegeben, nun ist Andreas Neubert der Letzte seiner Zunft. Nachfolger hat er bisher nicht. "Schuhmacher bekommt man keine mehr", sagt der Meister. "Meine einzige Hoffnung liegt auf meinem Enkelkind Jason - der ist aber erst elf Jahre alt." Allerdings denkt der Siebzigjährige auch noch lange nicht ans Aufhören.
Nur einen kleinen Spaziergang entfernt liegt die Gürtlerei "Paul Lorenz". Deren Fachgebiet ist die Restaurierung von Leuchtern - denn ein Gürtler stellt keineswegs Gürtel her, sondern bearbeitet Metalle.
Zurzeit fertigen Inhaber Mario Lorenz (54) und seine drei Mitarbeiter Laternen für den Dresdner Schlosshof. Fachkräfte sind dünn gesät, Lehrstellen bleiben unbesetzt: "Es ist ein Kampf gegen Windmühlen", sagt Büro-Chefin Uta Lorenz (50). "Wir suchen Mitarbeiter, finden aber niemanden."
Die körperlich schwere Arbeit würde heutzutage viele junge Leute abschrecken. Immerhin: Sohn Toni (25) will nach dem Studium den Betrieb übernehmen.




Ortsvorsteher: "Wenn wir nicht gegensteuern, stirbt das Handwerk hier aus"

Toni ist nicht der einzige tatkräftige Nachwuchs in Grüna. Schmied Benjamin Ehrhardt (31) hat hier vor sieben Jahren seine Werkstatt eröffnet. "Das traditionelle Handwerk darf nicht verloren gehen", sagt er.
Seine individuell geschmiedeten Geländer, Gitter und Damastmesser kämen sehr gut an - doch auch im Metallbau gebe es zu wenig fähige Lehrlinge.
Grünas Ortsvorsteher Lutz Neubert (51) ist alarmiert: "Wenn wir nicht gegensteuern, stirbt das Handwerk hier aus."
Zusammen mit den Betrieben will er nun nach Lösungen suchen - damit die Tradition in Grüna weiterleben kann.
Titelfoto: Ralph Kunz