Bezahlkarte für Asylbewerber in Chemnitz: Kommt sie überhaupt noch?

Chemnitz - Erst hieß es, sie kommt im April. Dann wurde es still. Jetzt heißt es vom Rathaus: "Noch sind keine Bezahlkarten im Einsatz."

In Chemnitz sind aktuell noch keine Bezahlkarten für Asylbewerber im Umlauf.
In Chemnitz sind aktuell noch keine Bezahlkarten für Asylbewerber im Umlauf.  © Petra Hornig

Die Rede ist von der umstrittenen Bezahlkarte für Asylbewerber, die bundesweit eingeführt werden soll, aber in Chemnitz bisher auf sich warten lässt.

Wie Recherchen von TAG24 zeigen, ist die Lage unübersichtlich. Zwischen Zuständigkeiten, politischen Streitpunkten und praktischen Bedenken steht fest: Die Einführung der Bezahlkarte ist ins Stocken geraten.

Mit der Karte sollen Geflüchtete künftig einen Teil ihrer Leistungen bargeldlos erhalten. Ziel: weniger Geldtransfers ins Ausland, mehr Kontrolle, weniger Bürokratie - so das Argument von Befürwortern.

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Kritiker sehen dagegen Diskriminierung, Stigmatisierung und Einschränkung der gesellschaftlichen Teilhabe. Die Landesdirektion Sachsen (LDS) erklärte auf Anfrage: "Die eigentliche Umsetzung in der Kommune obliegt jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt selbst."

Auftragnehmer sei die "Fa. secupay AG", eine Firma aus Pulsnitz, die das technische System stellt. Ob es bei Kommunen Verzögerungen oder Probleme gibt? Dazu die LDS: "Der Einführungsprozess läuft noch, eine Evaluierung des Prozesses hat noch nicht stattgefunden."

Die Stadt Chemnitz selbst zeigt sich wortkarg: "In Zuständigkeit der Stadt Chemnitz sind aktuell noch keine Bezahlkarten im Einsatz." Und verweist zurück an die LDS. Ein Zirkelschluss, der auch die Politik im Stadtrat irritiert.

CDU- und Grünen-Stadträte äußern sich kritisch

CDU-Stadtrat Tino Fritzsche (63) fordert mehr Mitnahme von der Verwaltung zum Thema Bezahlkarte.
CDU-Stadtrat Tino Fritzsche (63) fordert mehr Mitnahme von der Verwaltung zum Thema Bezahlkarte.  © Kristin Schmidt
Christin Furtenbacher (41) von den Grünen warnt vor Stigmatisierung durch die Karte.
Christin Furtenbacher (41) von den Grünen warnt vor Stigmatisierung durch die Karte.  © Uwe Meinhold

CDU Stadtrat Tino Fritzsche (63) spart nicht an Kritik: "Es ist definitiv unbefriedigend, dass dieser Prozess in Chemnitz so zögerlich geführt wird. Wir hätten uns gewünscht, dass uns die Verwaltung ein bisschen mitnimmt bei dieser ganzen Geschichte." Die CDU-FDP-Fraktion sei eine der treibenden Kräfte bei der Forderung nach der Bezahlkarte gewesen und unterstützt diese weiterhin: "Wir sind der Meinung, dass das eine vernünftige Alternative zum bisherigen Verfahren ist."

Deutlich kritischer äußert sich Grünen-Stadträtin Christin Furtenbacher (41): "Ich bin kein Fan der Bezahlkarte, weil das für die Betroffenen damit einhergeht, dass möglicherweise kein oder nicht ausreichend Bargeld verfügbar ist." Sie sieht konkrete Gefahren: "In Geschäften kann Diskriminierung stattfinden, wenn die Karten nicht überall funktionieren."

Dennoch begrüßt Furthenbacher, dass sich die Stadt Chemnitz Zeit lässt: "Ich halte es für sehr angemessen, dass man das sorgfältig umsetzt." Und sie hat auch Zweifel am Nutzen der Karte: "Der Bürokratieaufwand wird dadurch nicht geringer."

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Noch näher dran an der Realität der Betroffenen ist Josephine Schwittek (37), Flüchtlingssozialarbeiterin beim Agiua e.V. in Chemnitz. Sie betreut Geflüchtete direkt und warnt: "Nicht überall kann mit der Bezahlkarte gezahlt werden. Auf dem Wochenmarkt zum Beispiel."

Karte sieht aus wie eine normale Visa- oder Girokarte

Die Landesdirektion Sachsen sieht die Zuständigkeit bei der Stadt Chemnitz selbst.
Die Landesdirektion Sachsen sieht die Zuständigkeit bei der Stadt Chemnitz selbst.  © Sven Gleisberg
Mit der Bezahlkarte für Flüchtlinge soll mehr Kontrolle und weniger Bürokratie stattfinden.
Mit der Bezahlkarte für Flüchtlinge soll mehr Kontrolle und weniger Bürokratie stattfinden.  © Marcus Brandt/dpa

Zwar sehe die Karte äußerlich aus wie eine normale Visa- oder Girokarte. Doch das helfe nur begrenzt: "Wie lange wird es dauern, bis alle wissen, das sind die Karten für Geflüchtete?" Als bessere Lösung schlägt sie vor: "Ein Basiskonto für alle, so wie bei Bürgergeldempfängern auch."

Und zu einem Hauptargument für die Karte - Verhinderung von Geldtransfers ins Ausland - sagt sie: "Selbst wenn jemand etwas schickt, es sind minimale Beträge, die Leute leben ohnehin unter dem Existenzminimum."

Ein Blick nach Leipzig zeigt: Dort sind ebenfalls noch keine Bezahlkarten ausgegeben worden. Die Stadt teilte auf Anfrage mit: "Alle Voraussetzungen müssen erst noch geschaffen werden. Die Ausgabe der Karten ist derzeit für August/September 2025 geplant."

In Dresden ist die Karte bereits eingeführt, aber mit magerer Bilanz: Nur 25 Karten wurden bisher ausgegeben. Auch hier scheint die Umstellung auf die bundesweite Lösung nicht reibungslos zu laufen.

Die Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber bleibt in Chemnitz ein politisch sensibles, aber administrativ verschlepptes Thema. Während CDU und FDP eine schnelle Umsetzung fordern, pochen Grüne und Sozialverbände auf Gründlichkeit, Transparenz und Schutz vor Diskriminierung.

Was bleibt, ist ein komplexes Bild: viel Verantwortung bei der Landesdirektion, wenige greifbare Fortschritte in der Stadt und eine offene Frage, ob die Karte den Alltag wirklich besser macht oder schwerer.

Titelfoto: Bildmontage Petra Hornig, Kristin Schmidt, Uwe Meinhold

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