Chemnitz - Warum gibt es noch immer so wenige Namen von berühmten Frauen auf den Straßenschildern im Stadtgebiet Chemnitz? 2017 hatte der Stadtrat beschlossen, bei neuen Straßennamen gezielt Frauen stärker zu berücksichtigen. Das Ziel: Gleichstellung und mehr Sichtbarkeit für weibliche Persönlichkeiten im Stadtbild. Acht Jahre später ist die Bilanz ernüchternd.
Seitdem wurden zwölf Straßen neu oder umbenannt - nur zwei davon nach Frauen. "Neu benannt wurde nach Dr. Frieda Freise und nach Lise Meitner", teilt das Rathaus auf TAG24-Nachfrage mit. "Es ist jedoch anzumerken, dass für zwei weitere Straßen der Vorschlag der Verwaltung auf weibliche Persönlichkeiten zielte, jedoch keine Zustimmung des Stadtrates bzw. der Anwohner fand."
Abgelehnt wurden demnach die Vorschläge Helene Mierisch (Krankenschwester) und Elisabeth Ahnert (Künstlerin).
Letztere fiel sogar gleich zweimal durch. 2021 stand die Benennung einer Straße im Stadtteil Ebersdorf zur Debatte. "An der Alten Gärtnerei" setzte sich damals gegen die Chemnitzer Künstlerin durch.
Auch in der jüngsten Stadtratssitzung wurde die Benennung einer Straße debattiert. Statt "Elisabeth-Ahnert-Straße" heißt diese aber nun "Bornaer Hang".
CDU-Fraktions-Chef Tino Fritzsche sieht wichtigere Probleme auf der Agenda des Stadtrates
Christin Furtenbacher (41, Grüne), die den Beschlussantrag vor acht Jahren mit in den Stadtrat gebracht hatte, ist mit der bisherigen Umsetzung nicht zufrieden.
"Viele erfolgreiche Frauen haben die Geschichte unserer Stadt geprägt. Sie verdienen Sichtbarkeit und Würdigung. Wir erwarten, dass der gültige Beschluss konsequent umgesetzt wird, statt ihn immer wieder mit Ausflüchten zu umgehen", so Furtenbacher.
CDU-Fraktions-Chef Tino Fritzsche (63) erkennt die geringe Frauenquote auf den Straßenschildern, sieht dennoch wichtigere Probleme auf der Agenda des Stadtrates.
"Ich habe Vertrauen in die Kommission, dass sie dem Stadtrat vernünftige Vorschläge für neue Straßen unterbreiten."
Diese zwei Damen haben es geschafft
Dr. Frieda Freise (geb. Kalmanowitsch, 1886-1938) war eine Kinderärztin und ab 1925 die Stadtschulärztin von Chemnitz. 1927 förderte sie maßgeblich die Gründung der ersten "Mütterschule" Sachsens, die in Chemnitz werdende Mütter auf Geburt und Erziehung vorbereitete.
1933 wurde sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten in den Ruhestand versetzt. Nach weiteren Repressalien zog sie nach Oberbayern, wo sie am 28. November 1938 verstarb.
Elise "Lise" Meitner (1878-1968) war eine österreichische Physikerin. Sie gilt als Pionierin der Kernphysik, da sie maßgeblich an der Entdeckung der Kernspaltung beteiligt war. Trotz ihrer bedeutenden Beiträge wurde sie bei der Nobelpreisvergabe oft übersehen.
Meitner floh 1938 vor den Nationalsozialisten nach Schweden und setzte ihre Forschung dort fort. Sie gilt heute als eine der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen des 20. Jahrhunderts.