Heftige Kritik am Chemnitzer Flüchtlingsheim auf Zwangsarbeiter-Gelände

Chemnitz - Die Kritik an der geplanten Sammelunterkunft für Geflüchtete in der Reichenbrander Anton-Günther-Straße reißt nicht ab. Stadträtin Carolin Juler (22, Linke) aus Chemnitz äußert Verständnislosigkeit über die Baugenehmigung auf dem historisch vorbelasteten Areal: "Dies auf einem des Mahnens würdigen Gelände, welches als Zwangsarbeiter- und KZ-Außenlager diente, zu genehmigen, ist absurd."

Die Stadträte Carolin Juler (22, Linke) und Sebastian Cedel (37, Die PARTEI) äußern Kritik: In den Gebäuden hinter ihnen soll eine Sammelunterkunft für Geflüchtete entstehen. Ausgerechnet in der Anton-Günther-Straße, wo einst ein Zwangsarbeiter-Lager stand.
Die Stadträte Carolin Juler (22, Linke) und Sebastian Cedel (37, Die PARTEI) äußern Kritik: In den Gebäuden hinter ihnen soll eine Sammelunterkunft für Geflüchtete entstehen. Ausgerechnet in der Anton-Günther-Straße, wo einst ein Zwangsarbeiter-Lager stand.  © Kristin Schmidt

Großer Aufruhr herrscht unter den Bewohnern der sonst so ruhigen Eigenheimsiedlung bereits seit Freitag. Da flog die Benachrichtigung über das geplante Flüchtlingsheim für fast 300 Asylsuchende ein.

Die Anwohner waren aus dem Häuschen: Wie soll die kleine Nachbarschaft das stemmen?

Nun der Tadel am Standort: Dort befand sich ein Zwangsarbeiter-Lager der Auto Union. Eine Stele, die erst Ende 2020 aufgestellt wurde, erinnert an die Gräueltaten im Barackenlager "Landgraf".

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Etwa 4000 Frauen und Männer aus aller Herren Länder mussten sich dort für die Rüstungsindustrie quälen. Zwischen September und Dezember 1944 hatten die Nazis in dem Lager auch 450 polnische und ungarische Juden interniert.

Anwohner Dietmar Scheibe (62) hat sein Haus 1995 von seiner Tante übernommen. Diese erlebte die Schrecken im "Landgraf" jedes Mal, wenn sie durch das Küchenfenster schaute.

"Sie hat nicht gerne über diese Zeit gesprochen und versucht, sie zu verdrängen. Ich erinnere mich aber noch, wie sie von einem Fluchtversuch erzählte. Und dass dieser Mensch in der Anton-Günther-Straße erschossen wurde."

Für das Siegmarer Werk der Auto Union schufteten rund 4000 Zwangsarbeiter aus verschiedenen Nationen. Die Aufnahme entstand 1930.
Für das Siegmarer Werk der Auto Union schufteten rund 4000 Zwangsarbeiter aus verschiedenen Nationen. Die Aufnahme entstand 1930.  © Repro: Kristin Schmidt
Luftaufnahme Chemnitz 1945: Zwischen dem Rüstungswerk (Siegmar, Bildmitte) und dem Lager "Landgraf" im angrenzenden Stadtteil Reichenbrand war es nur ein Katzensprung.
Luftaufnahme Chemnitz 1945: Zwischen dem Rüstungswerk (Siegmar, Bildmitte) und dem Lager "Landgraf" im angrenzenden Stadtteil Reichenbrand war es nur ein Katzensprung.  © Repro: Kristin Schmidt

Auch "Die PARTEI" stichelt gegen Stadtverwaltung

Kritik kommt auch von Stadtrat Sebastian Cedel (37, Die PARTEI), er frotzelt: "Ich lade die Stadtverwaltung, selbstverständlich auf Kosten der Stadt, ein, mit mir gemeinsam ein Seminar unter dem Arbeitstitel ,Chemnitz - schuldig!' zu erstellen.

Nach dem Besuch haben wir sicher sensibel und reflektiert Antworten auf die Frage: 'KZ - ein toller Baugrund?'"

Titelfoto: Kristin Schmidt

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