Immer mehr Ukrainer ziehen nach Chemnitz

Chemnitz - Immer mehr ukrainische Geflüchtete zieht es nach Chemnitz - und zwar aus anderen deutschen Städten.

Das Rathaus freut's: Die Stadt verzeichnet einen wachsenden Zuzug von Ukrainern, die aus anderen deutschen Kommunen nach Chemnitz kommen.
Das Rathaus freut's: Die Stadt verzeichnet einen wachsenden Zuzug von Ukrainern, die aus anderen deutschen Kommunen nach Chemnitz kommen.  © Kristin Schmidt

"Wir haben einen Zuzug von etwa 320 Menschen aus dem Bundesgebiet", erklärte Oberbürgermeister Sven Schulze (50, SPD). Doch nicht alle, die nach Chemnitz wollen, können auch hier bleiben, wie der ukrainische Helferverein berichtet.

Insgesamt sind in der ehemaligen Karl-Marx-Stadt mittlerweile 2984 Ukrainer gemeldet, zum überwiegenden Teil Frauen, Kinder und Jugendliche. "Damit liegen wir unter den anfänglichen Prognosen", so der OB.

Gleichzeitig habe Chemnitz deutlich mehr Ukrainer aufgenommen als per Zuweisungsquote nötig gewesen wäre. Nun zeichnet sich ein neuer Trend ab: Zuzug aus anderen deutschen Städten.

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Über die Gründe kann man nur mutmaßen. Oberbürgermeister Sven Schulze weist auf vorhandene Strukturen hin: "Wir haben eine starke ukrainische Community."

Oberbürgermeister Sven Schulze (50, SPD) hat ein paar mögliche Erklärungen für den Chemnitz-Hype.
Oberbürgermeister Sven Schulze (50, SPD) hat ein paar mögliche Erklärungen für den Chemnitz-Hype.  © Kristin Schmidt

"Die Menschen wollen nach Chemnitz. Ob sie hier auch bleiben können, ist eine andere Frage"

Veronika Smalko (49), Vorsitzende des Ukraine-Vereins.
Veronika Smalko (49), Vorsitzende des Ukraine-Vereins.  © Uwe Meinhold

"Die Menschen wollen nach Chemnitz. Ob sie hier auch bleiben können, ist eine andere Frage", berichtet Veronika Smalko (49), Vorsitzende des Ukraine-Vereins.

Erst zwei Stunden vor dem TAG24-Gespräch habe sie mit einer Frau telefoniert, deren Sohn in Chemnitz zwar zur Schule geht, jetzt aber mit ihr nach Burgstädt ziehen muss.

Obwohl das Jobcenter seit dem 1. Juni für den Großteil der Geflüchteten zuständig ist, brauchen diese immer noch Formulare anderer Behörden.

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In vielen Fällen (nicht nur in Chemnitz) seien Ukrainer bei der Frage nach Papieren und auch Sozialleistungen an die Kommunen zurückverwiesen worden, wo sie sich zuerst gemeldet hatten.

Auch die Hilfestellungen könnten eine Rolle spielen: "Den Verein Ukraine-Chemnitz-Europa gibt es zum Beispiel schon seit 2015."
Auch die Hilfestellungen könnten eine Rolle spielen: "Den Verein Ukraine-Chemnitz-Europa gibt es zum Beispiel schon seit 2015."  © Kristin Schmidt

Gute Noten?

Redakteur Gabriel Schwab (28) findet, dass das stärkste Defizit im Flüchtlingsmanagement die Ungleichbehandlung von Ukrainern und Menschen aus Ländern wie Afghanistan und Syrien ist.
Redakteur Gabriel Schwab (28) findet, dass das stärkste Defizit im Flüchtlingsmanagement die Ungleichbehandlung von Ukrainern und Menschen aus Ländern wie Afghanistan und Syrien ist.  © Kristin Schmidt

Kommentar von Gabriel Schwab

Der Zuzug so vieler Ukrainer spricht für sich: Dass es bereits 320 Geflüchtete aus anderen deutschen Städten nach Chemnitz gezogen hat, ist unter anderem auch ein hervorragendes Arbeitszeugnis für das Krisenmanagement des Rathauses. Mit ein paar Abstrichen...

Mit fast 3000 Ukrainern hat die Stadt das Soll der Schlüsselzuweisungen mehr als erfüllt. Statt Sammelunterkünften setzt Chemnitz im Wesentlichen auf eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen - was für Anziehung sorgt. Auch die Hilfestellungen des Sozialamtes sind auf die Masse gesehen eine Herkulesaufgabe, die mit Bravour gemeistert wird.

Die großen Zahlen handhabt Chemnitz sehr gut. Doch bei manchem Einzelfall lautet die Note eher "ungenügend". Wenn etwa Papierkriege und Behördenbrillen die Hilfe erschweren. Oder, wie es bei einem ukrainischen Rentner der Fall gewesen war, wenn Menschen eben doch nicht in der Stadt bleiben können, weil sie sich zunächst in einer anderen Kommune gemeldet hatten.

Das stärkste Defizit im Flüchtlingsmanagement ist jedoch die Ungleichbehandlung von Ukrainern und Menschen aus Ländern wie Afghanistan und Syrien. Die Akzeptanz für die Osteuropäer ist deutlich spürbar, die für Geflüchtete aus dem Nahen und Mittleren Osten nicht. Das zeigt sich etwa in der Vielzahl an Angeboten und Vergünstigungen - die aber explizit an Ukrainer gerichtet sind. Bei all den guten Noten gibt es noch die ein oder andere Hausaufgabe.

Titelfoto: Kristin Schmidt

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