Straßenbahn als rollender Salon: Hier kann man ins Gespräch einsteigen
Chemnitz - Reden, wo sonst geschwiegen wird: So manche Chemnitzer Straßenbahn ist derzeit Treffpunkt für echte Gespräche.

Bei einer ungewöhnlichen Aktion lädt der Dresdner Verein "metro_polis" Fahrgäste ein, sich während der Fahrt über die Themen auszutauschen, die alle bewegen.
Drei Stunden war der "rollende Debattierclub" am Montag auf der Linie 1/2 zwischen Bernsdorf und Schönau unterwegs. Motto: "Chemnitz, wie geht's?" Kristina Krömer (43) ist Projektleiterin: "Die Chemnitzer sind offener, als viele denken! Bis zu 40 Menschen pro Fahrt steigen ins Gespräch ein – von der Kulturhauptstadt bis zur Angst vorm nächtlichen Heimweg."
Das Konzept: Es gibt ein Dreierteam mit klarer Rollenverteilung. Einer geht durch die Bahn und lädt Reisende ein, auf einen der vorbereiteten Gesprächsplätze umzusteigen – dort warten bereits zwei weitere Teammitglieder zum Dialog auf Augenhöhe.
"Es ist keine Befragung, sondern ein Gesprächsangebot", so Krömer. Die Ergebnisse werden zusammengefasst und als Arbeitsgrundlage dem Rathaus zur Verfügung gestellt.
"Es war fast unmöglich, normal über gesellschaftliche Themen zu sprechen"


Seit Mai ist das aus Dresden stammende Projekt in Chemnitz am Start. "2015 war es in Dresden fast unmöglich, normal über gesellschaftliche Themen zu sprechen", erinnert sich Kristina Krömer. "Da entstand die Idee, Alltagsräume wie die Straßenbahn zu nutzen, weil hier Menschen für eine gewisse Zeit aufeinandertreffen."
Daniel Badowski (27), ein weiterer Teil des Teams, sieht die Aktion als spannende Herausforderung: "Für mich als Psychologe ist Gesprächsführung immer ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt."
Die Fahrgäste - beeindruckt: Philipp Kienitz (26) meint: "Ich wünsche mir mehr Spielplätze für Kinder – aber noch mehr wünsche ich mir, dass wir miteinander reden."
Dienstag ist das "metro_polis"-Team wieder unterwegs: 10 Uhr auf der Linie 3 ab Technopark.
Titelfoto: Kristin Schmidt