Corona-Gate! Polizei sammelte Infos über getestete Bürger

Dresden - Kommt nach dem Leipziger Fahrrad-Skandal nun Corona-Gate? Die Polizei hat Daten auf Corona getesteter Bürger gesammelt. Das ergaben parlamentarische Anfragen der Linksfraktion im Landtag.

Kerstin Köditz (53).
Kerstin Köditz (53).  © Ove Landgraf

Die Polizeidirektion Dresden forderte solche Daten bereits Anfang März beim Landratsamt Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge an, so die Abgeordnete Kerstin Köditz (53) nach Sichtung der Antworten des Innenministeriums. Köditz: 

"Es wurden mindestens sechs Mal Listen mit den Namen und Anschriften von insgesamt 114 Personen übermittelt."

Dem Ministerium zufolge dauerte der Spuk bis 17. März, erst dann wurden die angefallenen Daten vernichtet. 

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Nur Schluss war nicht: Noch bis 5. April sollen Listen an die Reviere Sebnitz, Freital-Dippoldiswalde und Pirna gegangen sein. 22 Ortschaften sind betroffen. Es geht um 7200 Datensätze zu einer noch unbekannten Gesamtzahl von Personen.

Landrat Michael Geisler (60, CDU) bestätigt auf Anfrage aus dem Urlaub die Vorgänge an sich: "Das war mir bekannt." Hintergrund der Bitte um Daten seien Bedenken der Polizei gewesen, dass sie bei Einsätzen mit Infizierten in Berührung kommt. Es habe nämlich schlicht Schutzmaterial gefehlt. 

"Die Kritik an der Datenweitergabe ist in Friedenszeichen sicher berechtigt", räumte Geisler ein. Eine aktuelle Bewertung vermied er. Allerdings muss seinem Amt klar gewesen sein, dass es heikel ist: Laut Geisler übergab der eigene Datenschutzbeauftragte das Thema an den Landesdatenschutzbeauftragten Andreas Schurig (62). 

Das Landratsamt selbst spricht von einer "Anzeige" in eigener Sache bei Schurig und erkennt eine "ungerechtfertigte Datenübermittlung". Köditz nennt es eine "illegalen Datensammlung" und fordert eine Information der Betroffenen.

Und es geht weiter: Auch das Landratsamt Bautzen hat Corona-Daten an die Polizei gegeben, so eine Sprecherin. Zwar nicht zum Infektionsgeschehen, aber als (Verdachts)-Fall, um die Einhaltung der Quarantäne zu überprüfen. 

Andreas Schurig (62).
Andreas Schurig (62).  © Steffen Füssel

Kommentar: Finger weg von den Daten!

Redakteur Torsten Hilscher.
Redakteur Torsten Hilscher.  © Eric Münch

Die neue Geisel der Menschheit heißt ... richtig: Datensammelwut. Gefühlt fünf Mal am Tag müssen wir unsere Adresse, Mail, Telefonnummer, das Alter und so weiter irgendwem und irgendwo hinterlassen. Wohl noch einmal so viel Fußabdrücke sind es, die wir täglich unbemerkt irgendwo abgenommen bekommen.

Sich dagegen zu wehren, ist sinnlos. Dann bleibt das Tor zu. Sei es beim Zugang zu einer Internetseite, einem Amt oder einer Bitte um Auskunft.

Tief im Inneren haben wir uns mit der Erkenntnis arrangiert: Will ich alle Daten sofort und überall verfügbar haben, muss ich das Spiel mitspielen. Viele treiben es sogar freiwillig an, indem sie noch aus dem letzten Urlaubscafé Grüße per Bild und Nachrichten samt Koordinaten schicken.

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Schon "prüfen" die Personalchefs mancher Branche, wo sich der Favorit für die neu zu besetzende Stelle so im Alltag mit welchem Freundeskreis in welchen Hobbys herumtreibt. Auch diesen Preis zahlen gerade jüngere Generationen freiwillig, wenn ihnen auf der anderen Seite nur ja ständige Kommunikation möglich ist.

Doch nun ist eine Hintertür bekannt geworden, an die auch der sorgloseste Zeitgenosse nicht dachte: Corona-bedingt aufgenommene Daten wurden von der Polizei verwendet. Man kannte das bislang nur aus Niedersachsen. Sachsen zieht nach. Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hat den Auftakt gemacht, wie jetzt bekannt wurde. Mal sehen, wer noch folgt.

Das Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in Pirna.
Das Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in Pirna.  © Steffen Füssel

Es ist ein Vertrauensmissbrauch gegenüber dem Bürger. Vor allem aber ist es Wasser auf die Mühlen derer, die dem Staat eh schon unterstellen, Corona als "Herrschaftsinstrument" zu verwenden!

Titelfoto: Steffen Füssel, Ove Landgraf

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