Fehlende Zweisamkeit ade: Schmuse-Kurs soll Einsamkeit bekämpfen

Von Helena Dolderer

Dresden - Marta Ulrike Hübner sitzt an einem Sonntag im Dezember auf einem mit Decken ausgelegten Zimmerboden. Draußen ist es schon dunkel. "Ich möchte euch bitten, euch kurz vorzustellen, euren Namen und ob ihr schon Kuschel- oder Kakao-Erfahrung habt", sagt sie. Neben ihr sitzen elf Menschen, manche von ihnen kennt Hübner schon von früheren Kuschelpartys. Andere sind heute zum ersten Mal bei "Kakao & Kuscheln" in Dresden.

Marta Ulrike Hübner, Kuscheltherapeutin und Kuschelpartyleiterin, bereitet vor Beginn eines Kuschelevents den Kakao zu.  © Sebastian Kahnert/dpa

"Ich bin sehr kuschelbedürftig, hatte aber länger nicht die Möglichkeit, mit jemandem zu kuscheln", erzählt ein Mann aus der Runde. "Ich war schon zweimal hier", sagt eine der Frauen. "Und ich bin wieder sehr aufgeregt."

Dann geht es los. Hübner erklärt noch einmal die Regeln. Bevor gekuschelt wird, lernen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einigen Übungen besser kennen und trinken gemeinsam Kakao.

Hübner ist ausgebildete Yogalehrerin und Kuscheltherapeutin beim "KuschelRaum" mit Sitz in Berlin. Seit 2023 leitet sie eigene Kuschelpartys. Mittlerweile gibt es das Format in mehreren Städten. "Das Besondere ist hier, dass alle Berührungen vorab erfragt werden müssen", sagt die Dresdnerin. Erst ein verbales Ja heiße Ja, das sei nicht überall so. "Man kann zum Beispiel auf jemanden zugehen und fragen: Darf ich mich neben dich setzen? Oder: Darf ich deine Schulter berühren?"

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Berührungen stärken das Vertrauen in andere Menschen und signalisieren Aufmerksamkeit, sagt die Psychologin und Neurowissenschaftlerin Ilona Croy von der Universität Jena. Zusammen mit ihrem Forschungsteam hat sie herausgefunden, dass Paare sich im Schnitt zehnmal pro Tag bewusst berühren, etwa durch Küsse oder Umarmungen.

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Vor allem gemütlich sollte es bei den Kuschel-Sitzungen sein.  © Sebastian Kahnert/dpa

Veränderungen müssen her: "Berührungen unter Frauen sind gesellschaftlich legitimer" - bei Männern sei es noch tabuisiert

Nach gut zwei Stunden beginnt in der Regel die "freie Kuschelzeit", in der geschmust werden darf.  © Sebastian Kahnert/dpa

"Das Bedürfnis nach liebevollen Berührungen verändert sich aber auch im Laufe des Lebens", sagt die Soziologin Romy Simon von der Technischen Universität (TU) Dresden. "Für Kinder ist es elementar wichtig, in den Arm genommen zu werden und liebevoll aufzuwachsen", erklärt sie. Als Jugendliche würden viele einen Kuss von der Mutter dagegen eher vehement ablehnen.

Im Erwachsenenalter komme es dann unter anderem auf das Geschlecht und das soziale Umfeld an. "Berührungen unter Frauen sind gesellschaftlich legitimer. Bei Männern ist das eher immer noch tabuisiert", sagt die Soziologin. Besonders ältere Menschen, die alleine leben, hätten oft einen schlechten Zugang zu körperlicher Nähe. "Da sind die sozialen Netzwerke einfach kleiner."

Dabei helfe Körperkontakt gegen Einsamkeit und könne sogar Depressionen entgegenwirken. Gerade Kuscheln gelte aber für viele Menschen als etwas sehr Intimes und finde vor allem in Beziehungen statt.

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