Radler-Lobbyist plötzlich im Rathaus beschäftigt: Hat Kühn seine Freunde zu Referenten gemacht?
Dresden - Neuer Ärger für Verkehrs- und Baubürgermeister Stephan Kühn (46, Grüne): Es geht um Stellenbesetzungen in Top-Positionen in seinem Leitungsbereich. Jetzt werden Vorwürfe wie "Günstlingswirtschaft" laut. Werden im Rathaus Posten nach politischer Ausrichtung anstatt fachlicher Qualifikation vergeben?

Vor allem die Besetzung des Fachreferenten für Stadtentwicklung, Planen und Bauen wirft Fragen auf. Ein Top-Job mit wichtigen Aufgaben wie der fachlichen Beratung Kühns, der selbst Geisteswissenschaften studierte, Diplom-Soziologe ist.
Nicht umsonst waren hohe Anforderungen an die Bewerbung verknüpft: Fachkenntnisse im Netzwerkmanagement, Bauordnungs-, Planungs-, Wettbewerbsrecht. Berufserfahrung auf dem Gebiet der Stadt- und Regionalentwicklung oder Projektmanagement von großen Vorhaben.
Nicht nur die Stadtratsfraktion Team Zastrow (TZ) war überrascht, dass sich Edwin Seifert (53) durchsetzte. Denn der arbeitete lange für eine PR-Agentur, leitete bis August 2024 vier Jahre den Dresdner Radfahrerverein ADFC, kämpfte für Radwege, hatte etwa auch den Verkehrsversuch auf dem Blauen Wunder unterstützt, den OB Dirk Hilbert (53, FDP) nach chaotischem Verlauf vorzeitig beendete.
Als SPD-Stadtbezirksbeirat initiierte Seifert im Mai 2024 auch die Umwandlung der Seestraße in eine Fußgänger- und Radverkehrszone mit. TZ nahm Akteneinsicht. Demnach setzte sich Seifert gegen 19 Bewerber durch.
"Nach den öffentlich zugänglichen Informationen des betreffenden Mitarbeiters hat er keine der fachlichen Voraussetzungen erfüllt. Weder hat er eines der genannten Themenfelder studiert, er hat einen Abschluss in Politikwissenschaften, noch hat er Berufserfahrung in den geforderten Bereichen", teilt TZ mit, spricht von "grünen Seilschaften im Rathaus".


Weitere Fachreferentenstelle an Kühns Parteifreund übergeben

"Der Fall riecht nicht nur nach Günstlingswirtschaft, sondern hier wird einem Lobbyverein, dem ADFC Dresden, ein direkter Zugang in die leitende Verwaltung und damit die unmittelbare Einflussnahme auf politische Entscheidungen ermöglicht", kritisiert TZ-Stadtrat Remo Liebscher (47). "Wir fordern eine lückenlose Aufklärung."
Eine weitere Fachreferentenstelle für Nahmobilität und Verkehrssicherheit wurde nach TZ-Informationen sogar ohne Ausschreibung mit einem Parteifreund Kühns besetzt. Der saß bis vergangenen September für die Grünen im Stadtbezirksbeirat Altstadt.
"Im Einvernehmen mit dem Personalrat Stadtverwaltung wurde die zeitlich befristete Stellenbesetzung unter Verzicht auf das Ausschreibungsverfahren mit einem vormals im Geschäftsbereich tätigen Werkstudenten besetzt", teilte die Verwaltung dazu intern mit. Entgeltgruppe übrigens E13, Grundgehalt 4767,62 Euro.
"Das Verfahren wird wie alle Besetzungsverfahren federführend vom Haupt- und Personalamt betreut, eine Abstimmung mit dem Fachbereich erfolgt in jedem Stadium des Auswahlprozesses, der Personalrat war ebenfalls ins Auswahlverfahren eingebunden und hat der Einstellung zugestimmt", teilte ein Rathaus-Sprecher am Freitag zur Personalie Seifert mit.
Im Rathaus werden neue Chefs gesucht

Unabhängig von der Unruhe um Kühns Stellenbesetzungen schreibt das Rathaus drei Amtsleitungs-Positionen aus.
Gesucht werden Führungspersönlichkeiten für das Haupt- und Personalamt (ab sofort), für das Ordnungsamt (ab 2026), wo ein Nachfolger für Ralf Lübs (63) gesucht wird und für die Stadtkämmerei (ab April 2026), wo sich die langjährige Kämmerin Cornelia Möckel (63) bereits in den Ruhestand verabschiedet hat.
"Mit den Schlüsselpositionen sollen zentrale Bereiche der Stadtverwaltung zukunftsorientiert weiterentwickelt werden", teilt das Rathaus mit.
Titelfoto: Bildmontage: Thomas Türpe / Norbert Neumann