Jüdische Kultusgemeinde im Stadtmuseum: Eine Thora für Dresden

Dresden - Für Christen beider Konfessionen ist die Bibel das Buch der Bücher. Für Juden sind es der Tanach, die hebräische Bibel, und deren Herzstück, die Torah. Mit einem spektakulären Projekt tritt die Jüdische Kultusgemeinde Dresden in Erscheinung. Der Titel lautet "Die ewige Schrift - Eine Torah für Dresden".

Rabbi Akiva Weingarten (40) schreibt im Rathaus mit Ehrengästen die ersten Buchstaben.
Rabbi Akiva Weingarten (40) schreibt im Rathaus mit Ehrengästen die ersten Buchstaben.  © Eric Münch

In Dresden, am Stadtmuseum, wird eine vollständige Torah-Rolle nach traditioneller Art öffentlich geschrieben. Das geschehe zum ersten Mal in Europa, sagt Akiva Weingarten (40), Landesrabbiner des Freistaates Sachsen.

Beginn des Projekts war am Donnerstag zunächst im Rathaus, wo Weingarten selbst die ersten Worte schrieb, und am Abend im Stadtmuseum, dem eigentlichen Projektort. Fortführen wird die von Weingarten begonnene Arbeit ein ausgebildeter Torah-Schreiber - ein, wie es im Hebräischen heißt, Sofer Stam.

Auf dem Vorplatz des Stadtmuseums ist ein Schreibpavillon mit Schaufensterverglasung aufgebaut, worin der Schreiber, mit Namen Yehoshua Ze'ev Dias, arbeiten wird. 18 Monate Dauer sind dafür angesetzt. Wie die Synagoge wird der Schreibpavillon polizeilich geschützt.

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Die Torah enthält - analog zur Bibel - die fünf Bücher Mose. Die Schreibweise des Namens - Torah, Thora, Tora - ist verschieden (auch Jüdische Kultusgemeinde und Stadtmuseum verwenden sie unterschiedlich). Die heilige Schrift erzählt von der Schöpfung der Welt, von den Urvätern Abraham, Isaak und Jakob, der Befreiung Israels aus Ägypten und der Gabe der Gebote am Berg Sinai.

"Für uns Juden ist die Torah die Offenbarung selbst, das Wort Gottes", so Akiva Weingarten. Aufgeschrieben findet sich der heilige Text nicht in einem Buch, sondern auf einer Rolle, der Torah-Rolle. Deren Erstellung folgt jahrhundertealter Tradition, die keinerlei Abweichung erlaubt.

Schreibfehler machen den heiligen Text ungültig

Yehoshua Ze'ev Dias (38), aus Mexiko stammend, im Schreib-Pavillon auf der Wilsdruffer Straße. Wechselnd dort und im Gebäude der Jüdischen Kultusgemeinde wird er arbeiten.
Yehoshua Ze'ev Dias (38), aus Mexiko stammend, im Schreib-Pavillon auf der Wilsdruffer Straße. Wechselnd dort und im Gebäude der Jüdischen Kultusgemeinde wird er arbeiten.  © Eric Münch

Der Torah-Text besteht aus 5845 Versen in 79.847 Wörtern und 304.805 Buchstaben in 245 Spalten von jeweils 42 Zeilen. Geschrieben wird handschriftlich mit Feder in schwarzer Tinte auf 52 Blättern Pergament. Tinte und Pergament müssen koscher sein, die Pergamentblätter werden miteinander vernäht.

Gut aufpassen muss der Sofer Stam, denn es darf beim Abschreiben kein Fehler passieren. Fehlte ein Buchstabe oder gar ein Wort, machte es den heiligen Text ungültig.

Das Projekt wurde erdacht von der Jüdischen Kultusgemeinde und wird gefördert durch den Stadtbezirksbeirat Altstadt und die Christian C. D. Ludwig Foundation, wird unterstützt von der TU Dresden und dem Stadtmuseum als Kooperationspartner.

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Auch politisch macht es Eindruck. Zum gestrigen Auftakt im Rathaus sprachen unter anderem US-Konsul Dave Panetti, der grüne Landtagsabgeordnete Thomas Löser (53) und die Bundestagsabgeordnete Rasha Nasr (33, SPD).

Per Statement äußerten sich unter anderem OB Dirk Hilbert (53, "Die öffentliche Entstehung einer Torah mitten in Dresden ist ein starkes Zeichen für gelebte Vielfalt und wechselseitigen Respekt.") und MP Michael Kretschmer (50, "Das Projekt berührt mich zutiefst.").

Ziel des in ein umfangreiches Rahmenprogramm eingebetteten Projekts sei es, "das lebendige Judentum zu zeigen und Vorurteile abzubauen", sagt Kai Lautenschläger, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde: "Das Judentum ist so viel mehr und anderes als nur eine Religion."

Im Stadtbezirksrat Altstadt sei die Entscheidung für die finanzielle Stützung über alle Fraktionen hinweg einstimmig gefallen, sagt Stadtbezirksamtsleiter André Barth. Er wünscht sich für das Projekt, "dass wir alle ein wenig dabei lernen".

Titelfoto: Eric Münch

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