Dresden - Ein Sensationsfund: Im Nachlass von Hannes Hegen, dem Begründer der berühmten DDR-Comic-Hefte "Mosaik", wurden zwei verschollen geglaubte Manuskripte gefunden. Zu Hegens hundertstem Geburtstag erscheinen sie nun als Sonderausgabe, nachdem sie 1963 vor der Zensur im Schreibtisch verschwanden. Denn zensieren lassen wollte er sich nicht, sagt der Dresdner Unternehmer und Hegen-Biograf Harry Ralf Herrling. Er widmete dem "Digedags"-Vater und seinem Onkel 20 Jahre seiner Lebenszeit.
Das am Freitag erscheinende "Duell an der Newa" gehört zur Erfinderserie der Mosaik-Reihe. Darin schickte Hegen die drei Knollennasen und ihre Leser auf die Fährte verschiedenster Erfinder von der Antike bis ins späte 19. Jahrhundert. Zuletzt tauchten sie ab mit dem deutschen U-Boot-Pionier Wilhelm Bauer.
Doch der fürs Mosaik zuständige Verlag "Junge Welt" unterstand der FDJ und ihren inhaltlichen Vorgaben. Ihm missfiel, "dass die Erfinder eher dem gehobenen Bürgertum entstammten und nicht die Leistungen der Arbeiterklasse verkörperten", schreibt der heutige Mosaik-Verlag Steinchen auf TAG24-Nachfrage. Anders als oft behauptet, wurde diese Ausgabe aber nicht zensiert, sagt Hegen-Biograf Harry Ralf Herrling (51).
"Immer dann, wenn der Druck von oben zu groß wurde, wechselte Hannes Hegen einfach die Geschichten."
So auch 1963: Obwohl das Manuskript zum Duell an der Newa und seine Figuren bereits fertig waren, wechselte Hegen von der Erfinder- zur Runkel-Serie, in der die Digedags den Ritter Runkel auf den Spuren Marco Polos durchs Mittelalter begleiten.
Gezeichnet wurde traditionell per Hand
Der Rest der Erfinderserie wanderte spätestens 1964 in Hegens Archiv. Zwei ehemalige Mosaik-Zeichner haben die in Russland spielende Episode nun passend zu den Text-Manuskripten aus Hegens Nachlass umgesetzt.
"Gezeichnet wurde traditionell per Hand", erklärte Verlagssprecher Robert Löffler. Das Heft erscheint als Mai-Special, also zusätzlich zur regulären Ausgabe.
Das Mosaik war der beliebteste Comic der DDR und ist heute das älteste, noch erscheinende Comic-Heft der Bundesrepublik. Ende der 80er-Jahre erreichte seine Auflage mit einer Million Exemplaren ihren Höchststand.
Hannes Hegen - ein bewegtes Leben
Johannes Eduard Hegenbarth wurde am 16. Mai 1925 in Böhmisch-Kamnitz, dem heutigen "Česká Kamenice", in eine Glasmacher-Familie hineingeboren.
Auch der begabte Johannes wollte Glasraffineur werden. Doch vier Monate nach seinem 18. Geburtstag wurde "Hannes" 1943 von der Wehrmacht eingezogen. Nach Krieg und Vertreibung begann er 1947 ein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, das er aber für einen Job beim Satiremagazin "Frischer Wind", dem Vorgänger des "Eulenspiegel", gleich wieder abbrach.
Noch im selben Jahr 1955, in dem Hannes dem "Neues Leben"-Verlag seine Comic-Ideen präsentierte, erschien die erste Ausgabe seines Lebenswerks. Das Mosaik-Heft war geboren und wechselte bald zur "Jungen Welt", die der Pionierorganisation Ernst Thälmann unterstand.
Deren Themenvorgaben umschiffte er, solange es ging, so Hegen-Biograf Herrling. Nach inhaltlichen Streitereien mit dem Verlag kündigte Hegen 1975 und nahm die Digedags mit sich, verlor aber den Rechtsstreit um den "Mosaik"-Namen. Seitdem erzählt sein Heft, das älteste Comic Deutschlands, die Abenteuergeschichten der Abrafaxe.
Hannes Hegen verstarb am 8. November 2014. Am Freitag wäre er 100 Jahre alt geworden.
"Das Ziel ist ein Museum" Ein Dresdner ist der wohl größte Fan
20 Jahre lang hat er daran gearbeitet: Der Dresdner Unternehmer Harry Ralf Herrling (51) goss das Leben und Werk vom Mosaik-Begründer Hannes Hegen und dessen Onkel Josef Hegenbarth in eine fast vier Kilo schwere Doppelmonografie. Die Hegen(barths) begleiten ihn schon sein ganzes Leben. Mit Hannes Hegens 101-jähriger Cousine Hildegard Rüther-Hegenbarth ist Harry Ralf Herrling per Du.
Herrling lernte die Hegenbarths zweimal kennen. "Mein Opa hat die Mosaik-Hefte gesammelt. Wir drei Enkel durften die aber nie anfassen", lacht Herrling. Als Opa in Rente ging, begann er, an Weihnachten Teile seiner Sammlung zu verschenken. "Scheibchenweise", grummelt er noch heute. Doch es reichte, um den kleinen Harry von Comics zu begeistern. "Mosaik war die Grundlage für alles", sagt Herrling heute.
Denn mit Mitte 20 stieß der inzwischen kunstbegeisterte Herrling auf Josef Hegenbarth, den "größten Illustratoren der Nachkriegszeit", und dessen Verwandtschaft. Er stellte Kontakt zur Familie Hegenbarth her und Nachforschungen an. "Ich wusste, dass ich etwas schreiben musste", so Herling, "nur nicht, was."
20 Jahre später stehen allein 529 Abbildungen auf den 621 Seiten, die Herrling selbst gelegt und in einem kleinen Dresdner Verlag gedruckt hat. Daneben forschte er bis ins 19. Jahrhundert nach den Wurzeln der Glasmacherfamilie. Deshalb sei es wichtig, beide Leben zu erzählen. "Die gleiche Familie brachte zwei Künstler aus zwei Bereichen hervor."
Herrlings neu gegründetes "Hannes Hegen Comic Centrum" in der Dresdner Neustadt steht noch ganz am Anfang. "Das Ziel ist ein Museum."
Für seine umfangreiche Sammlung sucht er Forscher, Publizisten, Mitmacher. Eben "die, die die Dinge bewahren wollen". Weitere Infos: hannes-hegen.de