Das Schicksal dieses Stasi-Opfers wird zum Theaterstück

Dresden - Wie viel kostet eigentlich ein Menschenleben? Hans-Jürgen Barth (72) wurde 1978 aus dem Zuchthaus Cottbus in die BRD verkauft. Vorher saß er im Dresdner Stasiknast in U-Haft ein. Ausgerechnet dort kommt der schreckliche Lebensabschnitt des einstigen Staatsfeindes nun zur Aufführung.

Für 95.847 D-Mark wurde Hans-Jürgen Barth (72, l.) im Jahr 1978 von der DDR in den Westen verkauft. Schauspieler Markus Born (52) machte aus seiner Stasi-Akte ein Theaterstück, spielt in der Aufführung den Richter.
Für 95.847 D-Mark wurde Hans-Jürgen Barth (72, l.) im Jahr 1978 von der DDR in den Westen verkauft. Schauspieler Markus Born (52) machte aus seiner Stasi-Akte ein Theaterstück, spielt in der Aufführung den Richter.  © Eric Münch

Im Frühjahr 1977 begann die Odyssee mit der Stasi. Mit der ersten Vorladung wurde Barth beschuldigt, fliehen zu wollen. Mit der zweiten wurde ihm empfohlen, IM zu werden, sein Ausweis wurde einbehalten.

Verzweifelt ging der ehemalige Redakteur einer Betriebszeitung auf die Prager Straße, hielt ein Schild in die Luft: "Ich bin kein Sklave der DDR! Ich fordere meine Ausreise aus diesem Regime!" Festnahme!

Die U-Haft verbrachte Barth an der Bautzner Straße. "In der Zelle durfte nicht gesprochen werden. Wir kommunizierten mit Klopfzeichen. Einmal klopfen bedeutete A, zweimal B und so weiter. So haben wir Namen und Informationen ausgetauscht."

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Jeden Tag 20 Minuten Ausgang in der Außenanlage, von Maschinenpistolen bewacht: "Mein Urteil lautete dann: mehrfache staatsfeindliche Hetze." 27 Monate Zuchthaus!

Allerhand Lesestoff: Heute liegen die Stasi-Dokumente von Barth im Archiv der Unterlagenbehörde (Riesaer Straße).
Allerhand Lesestoff: Heute liegen die Stasi-Dokumente von Barth im Archiv der Unterlagenbehörde (Riesaer Straße).  © Holm Helis

Markus Born verarbeitete Stasi-Akte zum Theatertext

Im Stasiknast an der Bautzner Straße saß Barth in U-Haft. Dort klopfte er an die Wände, um mit Haftgenossen zu kommunizieren.
Im Stasiknast an der Bautzner Straße saß Barth in U-Haft. Dort klopfte er an die Wände, um mit Haftgenossen zu kommunizieren.  © Thomas Türpe

Etwa 33.000 Häftlinge wurden von 1963 bis zum Ende der DDR in den Westen verkauft. Dieses Geschäft kam beiden Seiten zugute: Im Osten wurde verdient, der Westen stellte seine Politik ins humanistische Licht. Der bis dahin vereinbarte Durchschnittspreis wurde auch bei Hans-Jürgen Barth eingehalten: 95.847 (West-)Mark.

"Ich brauchte keinen Einbürgerungsantrag stellen, da ich automatisch Deutscher war."

1997 kam er zurück nach Dresden, übernahm mit einer Geschäftspartnerin einen großen Porzellanladen am Nürnberger Ei von der Treuhand: "Mein Leben ist die Zukunft und nicht die schreckliche Vergangenheit als Heimkind und Staatsfeind."

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Markus Born (52) verarbeitete die Stasi-Akte von Barth zum Theatertext, spielt in der Aufführung den Richter: "Mir ist es wichtig, dass die noch lebenden Zeitzeugen zu Wort kommen. Es ist ein großer Unterschied, ob man Geschichte aus Büchern vermittelt bekommt oder sie hautnah und authentisch von jemandem erfährt, der das Gesagte selbst erfahren hat."

Das Stück könnt Ihr am heutigen Sonntag (11 Uhr) in der Gedenkstätte Bautzner Straße sehen. Eintritt: 10 Euro.

Titelfoto: Bildmontage: Eric Münch, Thomas Türpe

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