Ein Kunstwerk taucht auf: Gerhard Richters "Lebensfreude" im Hygiene-Museum!

Dresden - "Die Grundstimmung des Raumes sollte festlich-heiter, frohstimmend, zugleich beruhigend, klar und sachlich werden", erklärte Gerhard Richter in dem Aufsatz "Über meine Arbeit im Deutschen Hygiene-Museum Dresden" den Ansatz für sein Wandgemälde "Lebensfreude", entstanden als Diplom-Arbeit 1957 und später übermalt. Jetzt wird das großformatige, 63 Quadratmeter messende Kunstwerk wieder hervorgeholt.

Freilegung des Wandbildes in der "Einhausung". Eingebunden in das Projekt ist auch die Dresdner Hochschule für Bildende Künste.
Freilegung des Wandbildes in der "Einhausung". Eingebunden in das Projekt ist auch die Dresdner Hochschule für Bildende Künste.  © Holm Helis

Genauer: Das Bild wird freigelegt, nicht im Ganzen, nur in einem Ausschnitt. Es ist das wohl aufsehenerregendste Teilprojekt einer umfangreichen Ausstellung zur Geschichte des Hygiene-Museums, "VEB Museum. Das Deutsche Hygiene-Museum in der DDR", ab 9. März.

Das Freilegen eines übermalten Gemäldes ist eine anspruchsvolle Arbeit. Da das Gemälde nicht beschädigt werden soll, darf der darüberliegende Farbanstrich nicht, wie zu Hause die Tapete, rustikal von der Wand gekratzt werden.

Mit bis zu elf Farbschichten ist Richters "Lebensfreude" im Lauf der Jahrzehnte übertüncht worden, die nun mit einem speziellen Lösungsmittel entfernt werden, so Restaurator Albrecht Körber (45).

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Schon einmal, 1994, war die Freilegung versucht worden, wurde aber vom Künstler, der die frühe Arbeit nicht schätzt, verhindert. Nun hat Richter nichts mehr dagegen.

Seit einigen Wochen sind die Lösungsmittel im - öffentlichen - Einsatz. Das Publikum kann zuschauen, durch die Plexiglasscheibe einer "Einhausung", in der die Restauratoren ob des Chemikalieneinsatzes arbeiten.

Bis Mitte Oktober soll die Arbeit beendet sein. Die Kosten, finanziert von Wüstenrot Stiftung und Ernst von Siemens Kunststiftung, betragen 220.000 Euro.

Restaurator Albrecht Körber (45) mit bereits abgetragenen Deckschichten.
Restaurator Albrecht Körber (45) mit bereits abgetragenen Deckschichten.  © Montage: Holm Helis (2)

Warum wird das Kunstwerk nur teilweise freigelegt?

Das originale Wandbild in einer Schwarz-Weiß-Abbildung. Die weißen Linien grenzen den Bildbereich ein, der freigelegt wird.
Das originale Wandbild in einer Schwarz-Weiß-Abbildung. Die weißen Linien grenzen den Bildbereich ein, der freigelegt wird.  © DHMD

Das Gemälde sei "das zentrale Werk" aus Richters Zeit in der DDR, sagt Dietmar Elger, Leiter des Gerhard Richter Archivs. Ein "Sehr gut" bekam der Maler damals für seine Diplom-Arbeit.

Viele Jahre nachdem Richter 1961, ein halbes Jahr vor dem Mauerbau, "republikflüchtig" geworden war, wurde das Bild übermalt, damit es nicht weiter an ihn erinnere.

Dies endet mit der Teilfreilegung. Nur fragt sich, warum nicht gleich das ganze Werk von Fremdanstrich befreit wird. Es gehe "um das Freilegen auch von Geschichte", erklärt Museumsdirektorin Iris Edenheiser, hinsichtlich des Ausstellungskonzepts, in das "Lebensfreude" sich einfügt. Dazu gehört auch, die Übermalung als Zeugnis politischer Abstrafung nicht ganz zu beseitigen.

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Gerhard Richter hat sein Einverständnis gegeben, persönlich in Anschauung nehmen wird er diese seine frühe Arbeit nicht mehr. Der Künstler hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.

Kommende Woche, am 9. Februar, feiert er seinen 92. Geburtstag.

Titelfoto: Montage: DHMD, Holm Helis

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