Casting im Dreivierteltakt: 136 Hoffnungen aufs Debütanten-Ticket
Dresden - Der SemperOpernball ist legendär. Hunderte junge Sachsen träumen davon, hier als Debütant Walzer zu tanzen. Doch nicht jeder erfüllt die Voraussetzungen. Das große Aussieben beim Casting in der Tanzschule Lax!

Hier werden seit 2006 alle Ball-Debütanten geschult. Tanzlehrer Tassilo Lax (54) weiß, worauf es ankommt: "In der Semperoper wird ein Konzertwalzer mit vielen Tempo- und Timing-Wechseln getanzt. Bewerber müssen die Grundlagen des Wiener Walzers sicher beherrschen, damit wir mit ihnen arbeiten können."
Vor der Casting-Jury eine gute Figur abzugeben? Eine Herausforderung also, der sich samstags erstmals ein schwules Paar stellte: Die Ingenieurstudenten Heiner Weiß (21) und Juan Estevez Ortiz (28) sind seit fünf Monaten zusammen und fest entschlossen, als Debütanten übers Opern-Parkett zu fegen. "Anstelle des Ballkleids würde ich einen roten Anzug tragen", überlegt Heiner vor dem ersten Vortanzen.
Dann schweben rund eineinhalb Stunden lang 136 junge Damen und Herren zwischen 16 und 29 Jahren über die Tanzfläche - auf den ersten Blick jedenfalls. Denn wer wie die Jury genauer hinschaut, merkt: Zwar sind die Probetänzer äußerlich allesamt fein herausgeputzt, tragen ihre schönsten Kleider und schicke Frisuren. Nur ihr tänzerisches Niveau unterscheidet sich himmelweit.
Da wird mal der Dreivierteltakt ignoriert, mal gestolpert statt gewirbelt oder krumm statt aufrecht gewalzert.


Debütantinnen-Kleid für SemperOpernball wird im Erzgebirge genäht

Bei Johanna Milia Lorenz (16) stimmt die Haltung ganz ohne Tanzpartner. Die Schülerin mit Goldstar-Tanzabzeichen traute sich alleine aufs Übungsparkett. "Meine Mutter hat mich motiviert. Als die Musik losging, war ich in meinem Element."
Auch Amelie-Sophie Heil (19) und Tillmann Hannenheim (17) überzeugten die Jury von sich. Sie kennen die Kniffe und Tücken des Wiener Walzers noch vom diesjährigen SemperOpernball - sind 2026 streng genommen gar keine Debütanten. "Das wunderschöne kirschrote Debütantinnen-Kleid hat mich angespornt, mich noch mal zu bewerben", erklärt Amelie-Sophie.
Sie jobbt neben der Schule, um sich die erneute Teilnahme als Debütantin überhaupt leisten zu können. Denn Kleid, Choreografie-Training und Maske kosten mehrere Hundert Euro.
Modedesignerin Dorothea Michalk (43) entwarf die 350 Euro teure Prachtrobe: "Es handelt sich um ein asymmetrisches Konfektionskleid aus Viskosegemisch, das im Erzgebirge genäht wird. In meinem Atelier würde es das Vierfache kosten."
Kann ein schwules Tanzpaar die Jury von sich begeistern?

Darauf völlig verzichten kann nur ein schwules Tanzpaar - aber Heiner und Juan schafften es nicht in die engere Auswahl! "Wir sollen Tanzstunden nehmen und noch mal ein Tanzvideo von uns einschicken. Das werden wir definitiv machen."
Letztlich wählten Tassilo Lax und seine Jury-Kollegen am Samstag 55 Paare aus, die auf dem SemperOpernball am 6. Februar debütieren.
In einer zweiten Castingrunde im September sollen weitere Pärchen gefunden werden.
Titelfoto: Eric Münch