Müllmann für einen Tag: Alles andere als ein Job für die Tonne

Dresden - Manche fluchen, wenn der Müllwagen morgens im Weg steht. Andere rollen mit den Augen, wenn’s mal wieder stinkt. Doch ohne sie würde in der Stadt gar nichts laufen: Müllmänner sind die wahren Helden des Alltags - orange gekleidet, früh unterwegs und immer mit vollem Einsatz. Grund genug für mich, den stinkenden Selbstversuch zu wagen: Ich, der TAG24-Reporter, spiele einen Tag lang Müllmann bei der Stadtreinigung. Oder ich versuche es zumindest.

TAG24-Reporter Benjamin Schön (22, M.) geht mit Christian (35, l.) und Patrick auf Mülltour. Im Normalfall rennen die Jungs nicht vor dem Müllauto rum.
TAG24-Reporter Benjamin Schön (22, M.) geht mit Christian (35, l.) und Patrick auf Mülltour. Im Normalfall rennen die Jungs nicht vor dem Müllauto rum.  © Stefan Häßler

Treffpunkt 5.45 Uhr in der Zentrale am Tatzberg. Dann heißt es umziehen in das überaus modische Orange - und wenig später ist Abfahrt. Ich bin nervös und motiviert. Noch.

Beim ersten Versuch, eine Tonne in diese Kippvorrichtung einzuhaken, sehe ich aus, als würde ich zum ersten Mal eine Schubkarre schieben. Links, rechts, zurück - falsch. Die Tonne rutscht immer wieder aus der Kippvorrichtung. Erst bei der fünften klappt’s, und ich bin schon fix und fertig.

Patrick (40) dagegen ist voll im Flow. Holt eine Tonne nach der anderen. "Gebummelt wird hier nicht", ruft er mir zu, während ich noch versuche, zwei Tonnen gleichzeitig zu schieben. Das funktioniert nicht. Zumindest nicht bei mir.

Dresden: Bei Figaro Holger Knievel überzeugt jetzt auch der Kaffee
Dresden Kultur & Leute Bei Figaro Holger Knievel überzeugt jetzt auch der Kaffee
Dresden: Die Neuen im Socie: Diese beiden leiten von nun an das Societaetstheater
Dresden Kultur & Leute Die Neuen im Socie: Diese beiden leiten von nun an das Societaetstheater

Ich haue mir die Dinger in die Hacken, sie bleiben hängen. Koordinativer Totalausfall - mal wieder. Ich genieße lieber einfach das Gefühl, hinten auf dem Müllwagen zu stehen. Fühlt sich irgendwie einfach cool an.

Los ging es kurz nach 6 Uhr in Richtung Pieschen.
Los ging es kurz nach 6 Uhr in Richtung Pieschen.  © Stefan Häßler
Am Anfang hatte unser Reporter noch Probleme beim Kippvorgang.
Am Anfang hatte unser Reporter noch Probleme beim Kippvorgang.  © Stefan Häßler
Vor der Frühstückspause wurden schon mehr als die Hälfte der Mülltonnen geschafft.
Vor der Frühstückspause wurden schon mehr als die Hälfte der Mülltonnen geschafft.  © Stefan Häßler
Hinten auf dem Müllwagen stehen, ist für viele so ein kleiner Traum.
Hinten auf dem Müllwagen stehen, ist für viele so ein kleiner Traum.  © Stefan Häßler

Fazit ist für die Tonne

Am Ende des Tages wird der Müll abgeladen.
Am Ende des Tages wird der Müll abgeladen.  © Stefan Häßler

Wir sind zu dritt auf der Tour: Christian (35) fährt, Patrick und ich holen die Müllbehälter - und trotzdem sind wir nicht schneller. Im Gegenteil: Wir müssen Zeit aufholen, weil ich … nun ja, sagen wir mal … das Gegenteil von Tempo bin. Während Patrick weiter fleißig Tonnen holt, ruhe ich mich zwischendurch kurz im Wagen aus. Wirklich nur kurz. Vielleicht zehn Minuten. Oder fünfzehn. Zeitgefühl geht im Müll unter.

Dann dieser Geruch. Leute, ernsthaft - eine volle Biotonne im Sommer. Das ist gewöhnungsbedürftig. Manche Tonnen sind gefühlt so schwer wie Kleinwagen, andere fahren einfach, wohin sie wollen. Ich bin am Kämpfen, aber irgendwie werde ich besser.

Ab und zu winkt mal ein Kind. "Ja, wir haben schon richtig unsere Fans", erzählt Christian. Ich winke zurück wie ein Star auf dem Karnevalswagen. Für einen Moment fühle ich mich wie ein Held. Dann verrutscht mir wieder eine Tonne und ich bin zurück auf dem Boden der Tatsachen.

Dresden: Dagmar Gelbke bittet DDR-Stars zu Tisch
Dresden Kultur & Leute Dagmar Gelbke bittet DDR-Stars zu Tisch
Dresden: In diesem Seniorenheim schnurrt's an jeder Ecke
Dresden Kultur & Leute In diesem Seniorenheim schnurrt's an jeder Ecke

Am Ende noch den Müll abladen und dann stehen 457 geleerte Tonnen auf der Uhr - 8,68 Tonnen Müll in sechs Stunden. Mein Rücken fühlt sich an wie nach einer Woche Möbelpacken, meine Arme wie zwei nasse Handtücher. Und trotzdem macht’s irgendwie Spaß. So auf eine absurde, verschwitzte, stinkende Art.

Und dann kommt Christians Fazit - nach zwölf Jahren bei der Stadtreinigung darf er so was sagen: "Ganz ehrlich: Für Dich wär das nix - einfach vom Typ her. Aber Du hast Dich echt gesteigert und ordentlich mitgemacht." Ich nehm’s als Kompliment. Und dann - ab unter die Dusche!

Titelfoto: Stefan Häßler

Mehr zum Thema Dresden Kultur & Leute: