Dresden - 261 Jahre ist es her, dass sich in der vom Siebenjährigen Krieg zerstörten Kreuzkirche Schaudervolles abspielte. Denn beim Beräumen der Trümmer öffnete man einen Sarg - und den Anblick des verwesenden Leichnams beschrieb Stadtschreiber Traugott Heinrich Langbein genau. In unserer Sommerserie "Geheimes Dresden" erklärt Historikerin Susanne Koch (35) die Umstände.
Im Frühjahr 1764 war die Dresdner Kreuzkirche schon vier Jahre eine Ruine. Erst nachdem man sich auf den Wiederaufbau geeinigt hatte, begannen Bauarbeiter, ihre steinernen Überreste wegzuschaffen. Dabei stießen sie auf Grabkammern rechts des Altars, fanden darin verschlossene Särge. Am 8. Juni 1764 öffneten Bürgermeister, Ratsbaumeister, Superintendent, Stadtschreiber und Baugewerke völlig skrupellos einen davon!
"Da wird Neugierde eine Rolle gespielt haben", vermutet Geschichtsexpertin Koch. "Letztlich öffnete man nur einen Sarg aus Zinn, den man Herzog Albrecht von Schleswig-Holstein zuordnen konnte. Der hatte über 150 Jahre zuvor am Dresdner Hof gelebt, wo er Verwandtschaft hatte."
Detailreich protokollierte Stadtschreiber Traugott Heinrich Langbein die Sargöffnung und verewigte die Herzogs-Leiche mit einer Bleistiftzeichnung. Weil Albrecht nach seinem Tod 1613 einbalsamiert wurde, war er noch nicht ganz verwest - und trotzdem in ekelerregendem Zustand.
Lest, was Langbein notierte: "Das Gesicht sahe dunkelbräunlich aus, die Nase und Augen waren eingefallen und das Fleisch war schmierig, um das Kinn bis an die Ohren stund ein blonder kurzer krauser Bart, die Hände und Finger hatten auch bräunliche Farbe, an welchen überall die Knochen hervor leuchteten ([...]."
Susanne Koch: "Ein Schelm, wer dabei Böses denkt"
Davon nicht genug: Als die Sargöffner einen diamantbesetzten Prachtring mit dem kurfürstlich-sächsischen Wappen abziehen wollten, löste sich der herzogliche Zeigefinger vom Körper ... Der Herzog war reich geschmückt zur letzten Ruhe gebettet worden, trug außerdem sieben goldene Ketten mit Gnadenzeichen und einer goldenen Medaille um den Hals.
"Alles und jedes, was so wohl von dem verfaulten Sarge, als auch von der Leiche heraus genommen, ward wieder hinein gethan, der Deckel darauf gelegt, und so dann der Sarg, nebst den übrigen beiden in die neue Gruft gesetzt", erklärt der Stadtschreiber im Protokoll.
Susanne Koch: "Ein Schelm, wer dabei Böses denkt! Immerhin gibt es Grabräuberei seit Anbeginn der Zeit und über alle Epochen hinweg."
Aber im Falle der Sargöffnung in der Kreuzkirche gibt es keine Gegenbeweise. Nur die Grusel-Zeichnung und Notizen des Stadtschreibers, die seit Jahrhunderten im Dresdner Stadtarchiv schlummerten und erst vor Kurzem entdeckt wurden.
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