Nordkorea im Hygiene-Museum: Wie sächsische Kletterer das geheimnisvolle Land erkunden
Dresden - Würde man behaupten, Nordkorea hätte ein Image-Problem, wäre das wohl eine Untertreibung. So vollführt Machthaber Kim Jong-un (39) aktuell mal wieder militärische Drohgebärden. Doch weiß das abgeschottete Land gerade durch seine Fremdheit auch zu faszinieren, sowie durch seine malerischen Landschaften. Davon erzählt die Bewegtbild-Schau "Let's talk about Mountains. Filmische Ansichten von Nordkorea" im Hygiene-Museum (DHMD). Sächsische Kletterer der 80er-Jahre spielen eine besondere Rolle.

Die Ausstellung ist eine Arbeit des Alpinen Museums der Schweiz in Bern, dessen Filmteam in der Phase des innerkoreanischen Tauwetters 2018/19 die gebirgige Halbinsel bereisen durfte, um eines der unzugänglichsten Länder der Welt zu porträtieren.
Der denkbar schlechte Ruf Nordkoreas war im Vorfeld natürlich klar: totalitärer Führerstaat, Ernährungskrisen, Cyberattacken Menschenrechtsverletzungen. Doch wie geht es den mehr als 25 Millionen Menschen Nordkoreas wirklich, wie denken sie über sich und die Welt?
Der Clou: Das Filmteam nutzte die Berge des Landes als Türöffner. Nordkorea besteht zu 80 Prozent aus Hügeln und Bergen. Die am Horizont schneebedeckt zu sehenden Landschaften prägen Kultur und Wirtschaft des seit fast 80 Jahren geteilten Landes, sind Teil der Identität der Menschen. Darüber gelang es, ins Gespräch zu kommen, einen Austausch zu ermöglichen.
Möglich wurden Einblicke in scheinbar unüberbrückbare Lebenswelten, jenseits platter stereotyper Bilder.

Von der DDR ins Diamantgebirge

Man braucht Ruhe und Zeit, um die filmischen Impressionen wirken zu lassen, die von der 3-Millionen-Metropole Pjöngjang bis zum Paektsuan führen, dem "Heiligen Berg der Revolution".
Die auf diesem Material aufbauende Ausstellung ist in neun Kapitel gegliedert und auf großflächigen Projektionen zugänglich - zu erleben ist der nordkoreanische Alltag in Schule, Kunst, Freizeit und Alltag, wie man ihn in der herkömmlichen Medienberichterstattung eher selten gezeigt bekommt. Es ergeben sich sowohl Nähe wie systemische Unterschiede. Und doch wirkt bei aller Befremdlichkeit vieles normal.
Für die in Dresden gastierende Station wurde die Schweizer Schau um einen besonderen zeithistorischen Kommentar der DDR-Geschichte im letzten Ausstellungskapitel ergänzt: Im Anschluss an seinen Staatsbesuch in Dresden lud Präsident Kim Il-sung 1984 Bergsteiger aus der Sächsischen Schweiz in den damaligen sozialistischen Bruderstaat ein, um sich in der dortigen Gebirgswelt anspruchsvolle Kletterrouten zu erschließen.
1985 und 1989 reisten Kletterdelegationen nach Nordkorea, um etwa Routen im Kumgangsan (Diamantgebirge) und dem Myohyangsan (Gebirge der Wohlgerüche) zu erklimmen.

Für DDR-Bergsteiger wie Alexander Adler, Bernd Arnold, Ute Friedrich und Joachim Schindler war das Freiklettern im Elbsandsteingebirge nie nur eine sportliche Herausforderung. In Film-Interviews sprechen sie über die Bedeutung des Kletterns, ihre Grenzerfahrungen in Nordkorea und die gefühlten Freiheitserfahrungen.
Fun Fact: Noch heute hängen wohl Sicherungsringe aus DDR-Produktion in den nordkoreanischen Steilwänden.
Die filmische Ausstellung läuft bis 26. Mai im Hygiene-Museum (1. Januar geschlossen). Das Magazin zur Ausstellung (10 Euro) ist empfehlenswert, das umfangreiche Begleitprogramm steht unter: www.dhmd.de/ausstellungen/lets-talk-about-mountains
Titelfoto: Montage: Filmstill: Katharina Schelling/Alpines Museum der Schweiz, Bernd Arnold, DHMD