SKD-Generaldirektorin vor Vertrags-Verlängerung über das, was war und was kommt

Dresden - Marion Ackermann (58), in Göttingen geborene Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), wird nach TAG24-Information ihren im kommenden Oktober auslaufenden Vertrag verlängern. Die Vertragsdauer könnte weitere acht Jahre umfassen, ist zu vernehmen.

Marion Ackermann (58) im Oktober im Rahmen einer Pressekonferenz.
Marion Ackermann (58) im Oktober im Rahmen einer Pressekonferenz.  © Holm Helis

Die SKD gehören mit 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Museen zu den wichtigsten Museumsverbunden weltweit.

Wir fragten Marion Ackermann nach ihrem Interesse an Dresden, Zukunftsplanungen, Bilderstreit, Ost-West-Disput, Geschlechterdebatte, Werk-Umbenennungen und den Einbruch ins Grüne Gewölbe.

Zum ersten Mal berichtet die "Generalin" von ihrem Rücktrittsangebot an den Freistaat Sachsen nach dem Einbruch.

Marion Ackermann im TAG24-Interview

Ackermann mit Dirk Burghardt (62), dem langjährigen kaufmännischen Direktor der SKD, der demnächst ins Kunstministerium wechseln wird.
Ackermann mit Dirk Burghardt (62), dem langjährigen kaufmännischen Direktor der SKD, der demnächst ins Kunstministerium wechseln wird.  © Thomas Türpe

TAG24: Frau Ackermann, wir gehen davon aus, dass Sie bei den SKD in die zweite Amtszeit gehen. Liegen wir richtig?

Marion Ackermann: Die Ministerin und ich sind in guten Gesprächen.

TAG24: Wenn es im internationalen Museumsbetrieb eine hohe Stelle zu besetzen gilt, wird immer auch Ihr Name genannt. Ihre Vorgänger hat es mit Ausnahme von Martin Roth, der zehn Jahre blieb, nicht lange in Dresden gehalten. Sybille Ebert-Schifferer blieb drei, Hartwig Fischer vier Jahre. Was hält Sie in Dresden?

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Dresden Kultur & Leute Landschloss Zuschendorf: Hier blühen Königs Azaleen

Marion Ackermann: Als ich mich damals mit dem Gedanken beschäftigte, nach Dresden zu gehen, war es unter anderem der inhaltliche Bezug der Kunst zum Handwerk, der mich Feuer fangen ließ, die Materialforschung aus jahrhundertelanger Tradition. Hier kann man Museum ja noch einmal ganz anders erzählen, dieser Gedanke fesselt mich bis heute. Wir haben mehrere Ausstellungen zu diesem Thema gemacht.

Generaldirektorin der SKD zu sein, ist eine erfüllende Aufgabe. Die Mischung aus lokaler Verankerung und internationaler Vernetzung ist so intensiv wie nirgendwo sonst in Deutschland. Die 500-jährige Tradition der SKD gibt uns international ein großes Gewicht. Gerade in Krisenzeiten wächst die Rolle enzyklopädischer Museen, wie die SKD eines sind. Die Sachsen können stolz darauf sein.

TAG24: Manches in Ihrer ersten Amtszeit erzeugte beim Publikum Widerstand. Zuerst zu nennen wäre der sogenannte "Bilderstreit", der sich entzündete, als die Direktorin des Albertinums tradierte Werke aus der DDR-Zeit aus der ständigen Ausstellung entfernte. War das aus heutiger Sicht ein Fehler?

Marion Ackermann: Nein. Weil es so nicht war. Was wurde alles daraus gemacht! Als ich eintraf, war der Bilderstreit bereits seit einiger Zeit im Gange. Letztlich, im Rückblick, hatte die Auseinandersetzung mit der DDR aus verschiedenen Perspektiven einen positiven Effekt.

Über Herkunft und Geschlecht

Die Direktorin wünscht sich in Bezug auf Herkunft und Geschlecht ein gut ausbalanciertes Team.
Die Direktorin wünscht sich in Bezug auf Herkunft und Geschlecht ein gut ausbalanciertes Team.  © Petra Hornig

TAG24: Kritische Stimmen warfen den SKD vor, in den Museen nur Führungspersonal aus dem Westen zu beschäftigen, die geringschätzig auf die in der DDR entstandene Kunst herabblickten. Ein berechtigter Vorwurf?

Marion Ackermann: Auf keinen Fall. Jedoch haben wir uns da, wo Kritik begründet war, weil wir mehr hätten machen können für die Kunst aus der Zeit der DDR, ihr gestellt und mit öffentlichen Diskussionen und Ausstellungen reagiert. Die Qualität dieses Diskurses hat mich sehr beeindruckt.

Dass Menschen sich so enthusiastisch für ein kulturpolitisches Thema engagieren, kannte ich von meinen bisherigen Stationen nicht. Das waren Momente gelebter Demokratie. Auch dies ist etwas, das mich an Dresden bindet: die Leidenschaft der Bürgerschaft für die Kunst.

TAG24: Dem Direktorium gehören derzeit zehn Direktorinnen und Direktoren an. Wie viele von ihnen stammen aus dem Osten?

Marion Ackermann: Im Direktorium wäre zurzeit allein Sylvia Karges, die neue Direktorin des Münzkabinetts, zu nennen. Die Abteilungsleitungen Forschung, Bildung und Vermittlung, Marketing, Recht und Organisation sowie Rechnungswesen und Controlling, Gebäudemanagement/IT sind mit Personen aus Ostdeutschland besetzt. Einen Ost-West-Dualismus anzusetzen, greift meines Erachtens allerdings zu kurz. Für einen Museumsverbund wie unseren ist es wichtig, international zu denken und dies beim Führungspersonal abzubilden.

Jiri Fajt, Programm und Internationale Beziehungen, ist Tscheche, Marius Winzeler, Grünes Gewölbe und Rüstkammer, ist Schweizer, Thomas Geisler, Kunstgewerbemuseum, ist Österreicher, ebenso Stephan Koja, der ehemalige Direktor der Gemäldegalerie, Leontine Meijer-van Mensch, Staatliche Ethnografische Sammlungen, stammt aus den Niederlanden.

TAG24: In der Geschlechter-Debatte können Sie punkten, vier Museumsdirektoren stehen sechs Museumsdirektorinnen gegenüber.

Marion Ackermann: Das ist so. Auf die SKD insgesamt bezogen, ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichen.

TAG24: Welche Rolle messen Sie Herkunft und Geschlecht bei der Neubesetzung von Führungspositionen zu?

Marion Ackermann: Es ist immer eine Frage der Balance. Unsere Museumsdirektorinnen und -direktoren haben sich in einem internationalen Bewerberfeld durch ihre hohe fachliche Kompetenz hervorgetan. Und wenn das Ergebnis ein gut ausbalanciertes Team ergibt, ist das wunderbar.

Über Shitstorms und Hassreden

Der Einbruch ins Grüne Gewölbe im November 2019.
Der Einbruch ins Grüne Gewölbe im November 2019.  © Screenshot: Youtube

TAG24: Der nächste Konflikt war die im Zuge der Postkolonialismus-Debatte erfolgte Umbenennung von Kunstwerken, vor allem im Grünen Gewölbe, prominentestes Beispiel war Permosers "Mohr mit der Smaragdstufe". Von außen wirkte es, als würden die SKD schnell auf den postkolonialen Zug aufspringen, um ja nicht ins Fadenkreuz woker Aktivisten zu geraten.

Marion Ackermann: Dass wir unter Druck Kunstwerke umbenannt hätten, ist eine Fake-Erzählung, ausgelöst durch eine parteipolitische Pressemeldung, die viele Medien übernommen haben, ohne eigene Recherchen anzustellen. In Wirklichkeit haben wir die jahrhundertealte Praxis der Aktualisierung von Werktiteln fortgesetzt.

Außerdem handelt es sich fast nie um Originaltitel, meint: vom Künstler gewählte Titel. Der entscheidende Moment war, als die von Daphne, unserem Instrument zur Provenienzforschung, erfassten Bestände online gingen. Wir wollten so schnell wie möglich Zugänglichkeit für ein weltweites Publikum schaffen.

TAG24: Statt des Shitstorms von links haben die SKD sich Anfeindungen von rechts eingehandelt.

Marion Ackermann: Kritisiert wurden wir von links und rechts, wenn diese Kategorien überhaupt noch gültig sind. Den einen ging nicht weit genug, was wir taten, die anderen sprachen von "Bildersturm" und sahen "Cancel Culture" am Werk. Das war absurd, aber es verfing bei vielen und fand unter anderem in Hassreden, auch an mich persönlich gerichtet, Ausdruck.

TAG24: Wie reagieren Sie auf Beschimpfungen?

Marion Ackermann: Es geht mir nahe und ist natürlich belastend. Strafrechtlich relevante Beleidigungen werden von den SKD bei der Polizei angezeigt.

Über Verantwortung und Zukunft

Marion Ackermann im Grünen Gewölbe.
Marion Ackermann im Grünen Gewölbe.  © Thomas Türpe

TAG24: Das einschneidendste Ereignis Ihrer Amtszeit war der Einbruch ins Grüne Gewölbe vor vier Jahren, nehmen wir an. Die Einbrecher drangen unangemessen leicht, ohne nennenswerten Widerstand durch Sicherheitstechnik und Personal in die Schatzkammer ein. Wer trägt die Verantwortung für die Sicherheitslücken?

Marion Ackermann: Es sind verschiedene Stellen im Freistaat. Das Gesamtkonzept für das Residenzschloss ist von der Schlosskommission entwickelt und beschlossen worden. Das entscheidende Protokoll für das Historische Grüne Gewölbe wurde 2005 unterzeichnet. Zur Schlosskommission gehören der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB), unser Ministerium (SMWK), die Denkmalpflege, die SKD und für sicherheitsrelevante Fragen auch das LKA.

TAG24: Wer ist bei den SKD in der Verantwortungskette das oberste Glied, wenn nicht die Generaldirektorin? Müssen Sie sich die mangelhafte Ertüchtigung der Sicherheitsanlagen in den Vorjahren als Fehlleistung zurechnen lassen?

Marion Ackermann: Im Konkreten nicht. Die komplexe Verantwortungsstruktur habe ich ja eben dargelegt. Die grundsätzliche Verantwortung als Generaldirektorin war und bin ich jederzeit zu tragen bereit. Recht bald nach dem Einbruch habe ich dem Ministerpräsidenten meinen Rücktritt angeboten. Er bat mich zu bleiben. Inzwischen haben wir neue Sicherheits- und Kontrollstrukturen ins Werk gesetzt.

TAG24: Zur Zukunft: Die SKD sind, was Besucherzahlen und Einnahmen angeht, beinah wieder auf Vor-Corona-Niveau.

Marion Ackermann: Wir erwarten dieses Jahr wieder 2,1 Mio. Besucherinnen und Besucher. Unser jährlicher Gesamtetat liegt bei 60 Millionen Euro, davon sind 34 Millionen staatlicher Zuschuss. Den Differenzbetrag erwirtschaften wir mit Besuchereinnahmen, Drittmitteln, Sponsoring. Das ist, verglichen mit anderen Einrichtungen im Lande, eine hohe Quote.

TAG24: Gleichwohl gibt es drängende Strukturprobleme, etwa viele bloß befristete Arbeitsverträge betreffend. Können sich die SKD nur mithilfe eines Mitarbeiter-Prekariats personalpolitisch aufrechterhalten?

Marion Ackermann: Ich arbeite seit einiger Zeit intensiv an diesem Problem. Einige Zeitstellen haben wir schon umwandeln können. Ich spüre da auch Unterstützung aus der Staatsregierung. Flexibler werden möchte ich außerdem bei den Arbeitszeiten. In den kommenden Jahren werden viele verdiente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ruhestand gehen, dadurch wird nicht zuletzt Wissen verloren gehen.

Diese Menschen sollten weiterarbeiten können, wenn sie möchten, finde ich. Gerade die Kolleginnen und Kollegen, die schon seit über 30 oder 40 Jahren bei uns sind, bringen sich mit ganz besonderen Fähigkeiten in das vielfältige Gefüge der SKD ein: zum Beispiel ein Depotleiter, der filmt, oder ein Restaurator, der fotografiert.

SKD will ein junges Publikum erreichen

Für die Zukunft des SKD will Marion Ackermann (2.v.l., hinten) Museen für alle Generationen schmackhaft machen.
Für die Zukunft des SKD will Marion Ackermann (2.v.l., hinten) Museen für alle Generationen schmackhaft machen.  © Oliver Killig

TAG24: Andere noch unerfüllte Projekte sind das geplante Zentraldepot auf Schloss Hubertusburg, auch das teilweise noch offene Nutzungsverhältnis beim Japanischen Palais. Wie steht es damit?

Marion Ackermann: Auf Schloss Hubertusburg schwebt uns ein Zentraldepot mit Schauwerkstätten vor. Das ist ein langfristiges Projekt, für das wir politisch wohl noch Überzeugungsarbeit leisten müssen. Nächstes Jahr werden wir mit dem Design Campus und einem Wasser-Projekt dort einziehen. Beim Japanischen Palais setzen wir darauf, dass endlich die ständige Zuweisung an uns erfolgt. Baulich darf es außer einigen wenigen Maßnahmen gern ein provisorischer, unvollendeter Ort bleiben, der Menschen Raum für Kreatives lässt. Im Souterrain wollen wir Werkstätten einrichten, um auch hier das partizipative Element weiterzuentwickeln.

TAG24: Auf welches Ziel hin würden Sie die SKD in einer zweiten Amtszeit entwickeln?

Marion Ackermann: Wir müssen bei den SKD Raum schaffen für die nächsten Generationen. Museen sind keine Mausoleen, auf diese Formel hat es eine Mitarbeiterin gebracht. Dem schließe ich mich an. Wir wollen für junge Menschen cooler werden. Teilhabe des Publikums an Ausstellungsprojekten wird generationenübergreifend ein Schwerpunkt sein. Außerdem wollen wir, zum Beispiel mit öffentlichen Restaurierungsarbeiten, museale Prozesse sichtbar machen, so wie in der Kunstkammer Gegenwart, die wir vor wenigen Tagen im Residenzschloss für die Schenkung Sammlung Hoffmann eröffnet haben. Alles in allem geht es mir ganz entscheidend um Bildung, Vermittlung und Beteiligung.

Gerade haben wir ein Projekt direkter Demokratie gestartet. Es dreht sich um das Kunstgewerbemuseum in Pillnitz und die Frage, wie sich das Publikum, zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger, diesen Ort erträumen würden. Wer mitmacht, kann seine Ideen einbringen. Dieses Projekt wird kommendes Jahr in eine Ausstellung münden und, wenn Vorschläge und Ideen zu überzeugen vermögen, vielleicht in die Gestaltung des Museums einfließen.

Titelfoto: Holm Helis

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