Societaetstheater spielt "Metropol" im Stasi-Knast: Von Traum und Terror

Dresden - Wie der Traum von einer besseren sowjetischen Gesellschaft im Terror stalinistischer Säuberungen zerbricht, davon erzählt Eugen Ruge in seinem Buch "Metropol" anhand der Kaderakte seiner Großmutter. Die Company Cie. Freaks und Fremde hat den Roman für das Societaetstheater adaptiert und - atmosphärisch stimmig – im Veranstaltungssaal der Stasi-Gedenkstätte Bautzner Straße in Dresden auf die Bühne gebracht. Premiere war am Freitag.

Sabine Köhler und Heiki Ikkola spielen die deutschen Kommunisten, die in Moskau an stalinistischen Säuberungen zerbrechen.
Sabine Köhler und Heiki Ikkola spielen die deutschen Kommunisten, die in Moskau an stalinistischen Säuberungen zerbrechen.  © André Wirsig

Erzählt wird verdichtet von den deutschen Kommunisten Charlotte und Wilhelm, die in den 30er-Jahren vor dem Faschismus nach Moskau fliehen. Wegen angeblicher "Freundschaft" zu "Volksfeinden" werden sie im Hotel Metropol "untergebracht".

Anders als im Haupthaus kann das Socie, aktuell wegen Bauarbeiten als Wandertheater "on Tour", nun mit der Größe des Interimsspielortes wuchern: Zwischen den Publikumsreihen und der Bühne ist ein Podest aufgestellt, darauf und drumherum kann das Company-Duo Heiki Ikkola und Sabine Köhler sich austoben.

Hinten agiert Mitstreiter Tobias Herzz Hallbauer in einer offenen Kabine, spricht Texte ein, liefert Musik und Sound-Collagen zu: Schabend-dröhnende Ambientklänge, düster-pulsierend, mit tief wummernden Bässen, die durch Mark und Bein gehen.

Spielort ist idealer Schauplatz

Typisch für die Company Cie. Freaks und Fremde: Der sowjetische Richter Wassili Wassiljewitsch tritt als Puppe auf.
Typisch für die Company Cie. Freaks und Fremde: Der sowjetische Richter Wassili Wassiljewitsch tritt als Puppe auf.  © André Wirsig

Ikkola und Köhler agieren sehr körperlich. Mal führen sie eine Puppe von Wassili Wassilijewitsch Ulrich, 1937 Vorsitzender Richter des zweiten Moskauer Schauprozesses, der – wie im Buch – irritierend menschlich bleibt, obwohl er etwa bis zu 400 Todesurteile pro Tag unterzeichnet. Dann wieder bemalen sie Kästen mit Kreide, schieben und stapeln diese immer wieder neu.

Die Geschichte der Figuren erzählen sie in virtuoser Akrobatik, wenn sie ein Zelt aufbauen oder eine Metalltraverse, während sie ihre Hoffnungen an den Kommunismus ausrufen. Am Ende vergeblich.

Nachdem sie von ihrer linientreuen Genossin Hilde Tal, Wilhelms erster Frau, denunziert werden, beginnen die Verhöre vor einem spät enthüllten roten Stern. Irgendwann lügt Wilhelm, dass er gelogen habe: "Ich bin für die große Sache des Sozialismus nicht geschaffen."

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Spätestens jetzt erweist sich der Spielort über den Haft- und Verhörräumen des ehemaligen Dresdner Stasi-Knasts als idealer Schauplatz. Die beklemmende Handlung fällt zusammen mit der historischen Vergangenheit des Gebäudes, das so selbst zur Bühne wird. Hineingezogen wird der Zuschauer, indem man ihm täuschend echt wirkende Stempelkarten für den Einlass ausstellt.

Eine intensive, fesselnde Inszenierung. Gespielt wird bis zum 23. Oktober, fast täglich.

Titelfoto: André Wirsig

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