Diese Frage stellt sich Stephan Grossmann seit 30 Jahren immer wieder

Hamburg/Dresden - Der Dresdner Schauspieler Stephan Grossmann (51) ist aktuell an der Seite von Ex-Tatort-Kommissar Oliver Mommsen (54) im Hamburger St. Pauli Theater zu sehen. TAG24 traf ihn direkt nach der deutschen Erstaufführung von "Nebenan" zum Gespräch.

Der Wahlberliner Stephan Grossmann (51) steht zurzeit für "Nebenan" in Hamburg auf der Bühne.
Der Wahlberliner Stephan Grossmann (51) steht zurzeit für "Nebenan" in Hamburg auf der Bühne.  © Imago / Eibner

TAG24: Sie kommen gerade erst von der Premieren-Bühne. Wie war's?

Stephan Grossmann: Premieren sind immer eine ganz spezielle Aufführung. Auch nach 30 Berufsjahren überlege ich: Wie kriegt man das hin, dass es ein ganz normaler Tag wird? Das macht das Theater aber ganz gut, weil hier hinten immer eine unglaublich familiäre Atmosphäre herrscht. Und das ist sehr angenehm, weil man dadurch den Druck rausnimmt.

TAG24: Wie unterscheidet sich die Premiere denn von den Voraufführungen - herrscht da kein solcher Premieren-Druck?

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Grossmann: Die Voraufführungen treiben einen so ein bisschen vor sich her. Es ist erstaunlich. Dort herrscht eine Stimmung von: "Wir wollen jetzt etwas erleben." Und das spüren wir auch. Aber bei der Premiere ist die Erwartungshaltung noch mal anders.

TAG24: Und welchen Eindruck hatten Sie heute vom Premieren-Publikum?

Grossmann: Ich fand's interessant - und das ist natürlich auch für die Ost-West-Geschichte wichtig - dass nicht alles ins Humoristische geht. Ich liebe den Humor, aber es tut auch gut zu sehen, dass die Zuschauer heute über gewisse Stellen nicht mehr lachen konnten. Weil man dadurch den Respekt für die Geschichte spürt.

TAG24: Macht es da für Sie einen Unterschied, mit diesem Thema auf einer Hamburger statt zum Beispiel auf einer Dresdner Bühne zu stehen?

Grossmann: Als Dresdner war ich da ein bisschen aufgeregt, wenn ich ehrlich bin. Aber das ist sowieso das Geheimnis, dass hier manchmal der Blick viel freier und verständnisvoller ist als von den eigenen Landsleuten. Das ist interessant. Hamburger, die ein Herz haben, für diese andere Seite, ohne es so klischeehaft zu belasten und es zu verurteilen. Das macht mich eigentlich am glücklichsten. Und vielleicht müsste man auch mal den Blick von den Ostdeutschen auf die Westdeutschen zulassen ...

Stephan Grossmann: "Es ist manchmal zum Weinen und zum Lachen"

Oliver Mommsen (51) und Stephan Grossmann (54, r.) spielen in "Nebenan" zwei ungleiche Nachbarn.
Oliver Mommsen (51) und Stephan Grossmann (54, r.) spielen in "Nebenan" zwei ungleiche Nachbarn.  © Kerstin Schomburg/St. Pauli Theater

TAG24: Oliver Mommsen wollte sich im Vorgespräch nicht so recht auf das Genre des Theaterkrimis festlegen. Wo würden Sie das Ganze einordnen?

Grossmann: Daniel Kehlmann hat da einfach ein richtig spannendes Stück geschrieben. Es ist ein politisches Stück, aber es ist auch ein Krimi, der begeistert und fesselt. Ich merke ja, wie das Publikum an unseren Lippen klebt, weil es eben doch eine Krimigesellschaft ist. Die lieben das Tüfteln. Und irgendwann fällt dann der Groschen. Und das Publikum merkt auch: Der lässt sich nicht alles gefallen, der könnte auch ganz schnell mal durchdrehen ...

TAG24: In dieser Beschreibung klingt das Ganze nach einem ernsten Psychothriller. Nun hat das Stück aber auch viele humoristische Szenen. Wieso braucht es das?

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Grossmann: Es ist ein Schlüssel. Weil das Lachen immer wieder öffnet und entkrampft. Unser Wunsch ist es ja nicht, dass das Publikum die ganze Zeit im Sessel sitzt und sich quält. Es ist manchmal zum Weinen und zum Lachen. Es ist ja immer beides im Leben.

TAG24: Im Stück spielen Sie den erst einmal sehr undurchsichtigen Bruno, der das Leben seines Nachbarn - ein erfolgreicher Schauspieler - durcheinander bringt. Was ist das Besondere an dieser Figur?

Grossmann: Der Bruno ist einfach jemand, der viel erlebt hat in der DDR-Vergangenheit. Der eine Geschichte erlebt hat, wie so viele Tausende, die einfach gehofft haben, es wird sich zum Guten wenden. Er ist einfach enttäuscht worden, von so vielen Dingen. Plötzlich beherrscht das Kapital den Markt und er ist nicht dabei. Und er sucht die Gründe und sucht die Fehler im System. Vielleicht geht er auf die Straße irgendwann. Und deshalb ist das Stück wichtig, weil man vielleicht erkennt, wie ein Prozess dahin führen kann.

"Nebenan" mit Stephan Grossmann ist noch bis zum 9. April im St. Pauli Theater in Hamburg zu sehen.

Titelfoto: IMAGO / Eibner, Kerstin Schomburg/St. Pauli Theater (Bildmontage)

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