Unbekanntes und Überraschendes zum Frühwerk von "Gerd Richter": Gemälde an Wand und Fassade

Dresden - Am 9. Februar wird der in Dresden geborene Maler Gerhard Richter 90. Das Gerhard Richter Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen wird eine große Ausstellung eröffnen. Außerhalb des Kunstbetriebs hat der Dresdner Galerist André Döhring (56) zur Frühzeit Richters in der DDR recherchiert und Interessantes entdeckt.
André Döhring (56) betrachtet die Schaubilder mit Richters Wandgemälde für die SED-Bezirksleitung und den Protokollen.
André Döhring (56) betrachtet die Schaubilder mit Richters Wandgemälde für die SED-Bezirksleitung und den Protokollen.  © Norbert Neumann

Zum Beispiel das in den 50er-Jahren entstandene Fassadenbild (Sgraffito) einer Sonnenuhr an einem Bürogebäude im Görlitzer Stadtteil Hagenwerder an der polnischen Grenze samt stilisierter Darstellung der Städte Görlitz und Zgorzelec.

In den Augen des Künstlers eine Arbeit ohne Belang, noch dazu so gut wie unbekannt, was sich im öffentlichen Wissen um Richters Urheberschaft nun ändern dürfte. Döhring dokumentiert das Fassadenbild in seiner Ausstellung.

Vor zwei Jahren gründete der kunstbegeisterte Bauingenieur seine Galerie in der George-Bähr-Straße, seither zu sehen ist dort die Schau "Es war, wie es war" zu Richters Frühzeit in Dresden ab 1951, zusammengesetzt aus reproduzierten Abbildungen, Zeitungsausschnitten, Interviews oder Leserbriefen.

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Als "Weiterbildungsdokumentation" bezeichnet Döhring das Projekt. Drei neue Stücke kommen aktuell hinzu. Neben der Dokumentation des Görlitzer Fassadenbildes etwa das "Protokoll zur 2. Sitzung der Bezirkskommission am 7. Februar 1957" als Kopie aus dem Staatsarchiv.

Einst nannte er sich "Gerd Richter"

Der Galerist vor der Abbildung des Görlitzer Fassadengemäldes.
Der Galerist vor der Abbildung des Görlitzer Fassadengemäldes.  © Norbert Neumann

Ein Schriftsatz, der sich unter anderem bezieht auf das Wandgemälde "Arbeiteraufstand", das der Maler 1959 im Auftrag der SED-Bezirksleitung im heutigen Landtagsgebäude fertigstelle. Zwei Jahre zuvor galt es den vom Künstler, der damals noch als Gerd Richter firmierte, eingereichten Entwurf zu begutachten.

Als Tagesordnungspunkt drei "Kompositionsvorlage für ein Wandbild durch Maler Gerd Richter" wurde die Angelegenheit verhandelt. Es urteilte die Auftragskommission, zu der so prominente Künstler wie der Maler Wilhelm Lachnit und der Bildhauer Wilhelm Landgraf gehörten.

Bezugnehmend auf eine Besprechung von "vor ca. 14 Tagen", in der dem Künstler empfohlen worden sei, "die Gruppe der Arbeiter über die Bildmitte hinaus zu vergrößern und stärker zu formieren, die Gruppe der Unterdrücker dagegen zu verkleinern", kommt die Auftragskommission zu ihrer Einschätzung.

Ein Dokument als aberwitzige Fußnote zur Karriere Richters

Gerhard "Gerd" Richter (89) studierte von 1951 bis 1956 in Dresden.
Gerhard "Gerd" Richter (89) studierte von 1951 bis 1956 in Dresden.  © picture-alliance / dpa

Das Protokoll stellt fest: "Die heute vorgelegte Komposition entspricht diesen Anregungen noch nicht genügend."

So erging folgender "Beschluß": "Der Künstler fertigt eine zweite Kompositionsskizze, in der aber die Stärke der Arbeiter überzeugend und augenfällig zum Ausdruck kommt. Sie wird in etwa 14 Tagen von den Professoren Lachnit und Lohmar im Atelier der Künste begutachtet.

Danach kann die praktische Arbeit an der Wand aufgenommen werden." Abschließend wird der Kulturfonds der DDR gebeten, "das Arbeitshonorar von DM 500,00 für weitere 3 Monate zu genehmigen".

Ein Dokument als aberwitzige Fußnote zur Karriere Richters, das über die Bedingungen Auskunft gibt, unter denen er und andere Künstler in der DDR arbeiten mussten, und offenlegt, dass die Machthaber in der künstlerischen Repräsentation des Systems nichts dem Zufall überließen.

Geschäftszeiten hat Döhrings "Weiterbildungsdokumentation" übrigens nicht. Geöffnet wird nach Verabredung.

Titelfoto: Norbert Neumann

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