Dresdens tapferster Wirt gibt nicht auf: Mit 83 Jahren, allen Problemen zum Trotz

Dresden - Werner Schulze blickt auf 83 Lebensjahre voller Lust, Leidenschaft, aber auch Leid zurück. Als Wirt und Inhaber der Schulzenmühle im Zschonergrund hätte er längst in Rente gehen können. Das mag er jedoch gar nicht hören. Er steckt voller Tatendrang und will ein Vermächtnis erfüllen.

Werner Schulze (83) ist Wirt mit Leib und Seele. Anfang nächsten Jahres würde er gern den Imbiss der Gaststätte Schulzenmühle wieder eröffnen und Gäste im Zschonergrund mit deftigem Essen versorgen.
Werner Schulze (83) ist Wirt mit Leib und Seele. Anfang nächsten Jahres würde er gern den Imbiss der Gaststätte Schulzenmühle wieder eröffnen und Gäste im Zschonergrund mit deftigem Essen versorgen.  © Eric Münch

"Wenn die Corona-Verordnungen es zulassen, möchte ich im Januar im Hof den Imbiss wieder aufmachen. Ich habe dafür schon Pläne gemacht. Nur Selbstbedienung wird es geben", so der 83-Jährige.

"Im Angebot werde ich warme Wiener, Bockwürste und Kamenzer haben. Getränke auch. Aber keinen Schnickschnack. Das schaffe ich alleine nicht", sagt der wartende Wirt Werner Schulze und öffnet schon mal das Ausgabefenster, um zu zeigen, dass er jederzeit einsatzbereit ist.

Ein Lächeln der Vorfreude huscht über das Gesicht von Werner Schulze, als er aus dem Haus in den Hof schaut. Der Stammtisch hält dort Winterruhe. Das Gestänge vom großen Partyzelt hofft - wie er - auf die Eröffnung einer neuen Saison.

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Drei Schafe kommen von der Weide am Hang heruntergelaufen. "Was ist hier los?", fragen ihre kugelrunden Augen. Werner Schulzes Blick schweift über die Tiere hinweg hinüber zu Scheune, Backhaus, Nebengelass und einem Wartburg-Oldtimer. Liebevoll und gedankenschwer ruhen seine Augen auf den einzelnen Objekten.

"Das ist mein Geburtshaus. Meine Eltern führten hier einst ein florierendes Ausflugslokal. Vor über dreißig Jahren hat meine Frau Christa an die Tradition angeknüpft und die Wirtschaft wieder eröffnet. Die Leute kamen in Scharen. Wir hatten gemeinsam gute Jahre. Sie hat es nicht verdient, dass jetzt alles den Bach runtergeht", sagt Schulze.

Die Schafe halten das Gras an den Hängen rund um die Mühle kurz. Die Rasenmäher hat Schulze "geliehen".
Die Schafe halten das Gras an den Hängen rund um die Mühle kurz. Die Rasenmäher hat Schulze "geliehen".  © Eric Münch

Schwere Jahre für die Schulzenmühle und Wirt Werner Schulze

Das Hofensemble der Schulzenmühle steht unter Denkmalschutz. Die Mühle befindet sich vermutlich seit dem 16. Jahrhundert dort.
Das Hofensemble der Schulzenmühle steht unter Denkmalschutz. Die Mühle befindet sich vermutlich seit dem 16. Jahrhundert dort.  © Eric Münch

Das Herz wird dem Senior schwer beim Gedanken an seine zweite Ehefrau. Er war dabei, als sie beim Reinigen der Gaststube ihren zweiten Schlaganfall erlitt.

"Von den Folgen hat sie sich leider nie wieder erholt. Ich habe sie 19 Jahre hier gepflegt", sagt Schulze.

Nebenbei führte er als Wirt Biergarten und Imbiss weiter. Trotz der Doppelbelastung kam es ihm nicht in den Sinn, seine Frau Christa in ein Pflegeheim zu geben. "Ich hätte mich gefühlt wie ein Lump, wenn ich das getan hätte", sagt er.

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Die jüngst vergangenen Jahre waren keine guten für die Gastronomie in der Schulzenmühle. Der Hof ist nicht ans Trinkwasser angeschlossen. Die langanhaltende Trockenheit ließ den Hausbrunnen trockenfallen.

Notgedrungen musste Werner Schulze für Gäste zusperren. Als das Wasser wieder sprudelte, kam Corona mit Lockdowns und Beschränkungen. Unter diesen Umständen konnte der Wirt seiner Köchin keine Perspektiven bieten.

Sie suchte sich einen anderen Job. Werner Schulze: "Ich will den Imbiss jetzt erst mal allein führen. Vielleicht hole ich mir später eine Aushilfe dazu."

Werner Schulze möchte mindestens noch bis zu seinem 90. Geburtstag hinterm Tresen stehen. Er sagt schmunzelnd: "Das musste ich meinen Stammgästen versprechen."
Werner Schulze möchte mindestens noch bis zu seinem 90. Geburtstag hinterm Tresen stehen. Er sagt schmunzelnd: "Das musste ich meinen Stammgästen versprechen."  © Eric Münch

Sorgen um die Zukunft der Schulzenmühle

Der Wirt schuftete einst auf dem Bau. Dank seines Geschicks und technischer Hilfsmittel stemmt er die meisten anfallenden Arbeiten auf dem Hof noch allein. Unterstützung bekommt er zudem von seinen Kameraden aus der Freiwilligen Ortsfeuerwehr.
Der Wirt schuftete einst auf dem Bau. Dank seines Geschicks und technischer Hilfsmittel stemmt er die meisten anfallenden Arbeiten auf dem Hof noch allein. Unterstützung bekommt er zudem von seinen Kameraden aus der Freiwilligen Ortsfeuerwehr.  © Eric Münch

Werner Schulze ist ein großer Mann mit starken und geschickten Händen. Er war Maschinenschlosser-Meister, arbeitete fast drei Jahrzehnte bei der PGH "George Bähr" in Dresden.

Zu DDR-Zeiten kam er viel rum. Er wusste, was im Land gebraucht wurde, und konnte mit seinen guten Beziehungen manchem helfen. Davon profitierte wiederum auch seine Schulzenmühle.

Er schmunzelt: "Die Scheune ist noch voll mit altem Baumaterial, das ich gesichert und aufbewahrt habe. Ich verbringe jetzt viel Zeit mit Ausmisten."

Tiefe Melancholie färbt jetzt seine sonore Stimme. Die Sorge um die Zukunft der Mühle treibt ihn um, bei allem, was er jetzt anpackt. "Ich hänge nicht an Geld und Gütern. Aber an den vielen Erinnerungen", gesteht er.

Fast zu jedem Gegenstand in den gastlichen Räumen der Mühle hat er eine Beziehung. Die Bauernmöbel und Türen in der Kutscherstube hat seine Frau Christa kunstvoll bemalt. "Wird jemand aus der Familie in meine Fußstapfen treten?", grübelt Schulze oft.

Der Wirt schließt das Fenster der Ausgabe und löscht das Licht in der Küche. Dann stellt er bestimmt fest: "Nur wer sich selbst aufgibt, hat verloren."

Das alte Telefon funktioniert noch. Schulze: "Wenn Glasfaser bis ins Haus kommt, schaffe ich mir vielleicht noch einen Computer an und beschäftige mich mit dem Internet."
Das alte Telefon funktioniert noch. Schulze: "Wenn Glasfaser bis ins Haus kommt, schaffe ich mir vielleicht noch einen Computer an und beschäftige mich mit dem Internet."  © Eric Münch
Die Gasträume sind liebevoll, rustikal und gewitzt dekoriert - nach alter Tradition.
Die Gasträume sind liebevoll, rustikal und gewitzt dekoriert - nach alter Tradition.  © Eric Münch

Die Geschichte der Mühle

Das Mühlen-Hauptgebäude ziert eine historische Inschrift aus dem Jahr 1719, die George Pietzsch als Besitzer nennt.
Das Mühlen-Hauptgebäude ziert eine historische Inschrift aus dem Jahr 1719, die George Pietzsch als Besitzer nennt.  © Eric Münch

Die Schulzenmühle entstand vermutlich im 16. Jahrhundert. Einige Historiker glauben, dass sie das letzte Gebäude vom Dorf Zschon sein könnte, welches um 1566 "wüst" gefallen war.

Urkunden von 1568 erwähnen das Objekt als Steinbacher Mühle. Schon damals gab es Ärger mit dem Wasser: Die Besitzer der Steinbacher und der Zschonermühle beklagten sich über die übermäßige Wasserentnahme aus dem Zschonerbach, die den Betrieb ihrer Mühlen gefährdete.

Mitte des 19. Jahrhunderts entstand vor Ort ein neuer Mühlteich. Zudem bekam die Mühle ein Wasserrad mit einem Durchmesser von 8,50 Metern (!) neu eingebaut.

1860 gelangte die Mühle in den Besitz der namensgebenden Familie Schulze. Der wirtschaftliche Betrieb der Mühle war zu dieser Zeit breit aufgestellt. Familie Schulze führte neben einer Brotbäckerei auch noch eine Landwirtschaft, eine Branntweinbrennerei und sie bewirtete Gäste.

Die "Entdeckung" vom Zschonergrund als Ausflugsziel zu Beginn des 20. Jahrhunderts bescherte der Mühle einen rasanten Aufstieg als Ausflugsgaststätte.

Werner Schulzes Eltern legten vier große Garten-Terrassen an. Gut 600 Plätze bot das Lokal einst den Gästen an. 1927 stellte die Mühle ihren Mahlbetrieb ein. 1962 schloss die Gaststätte ihre Pforten und die LPG übernahm vor Ort das Regime. Erst in den Wendejahren knüpften Christa und Werner Schulze vor Ort als Wirtsleute wieder an alte Traditionen an.

Titelfoto: Eric Münch

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