Dank Technik, Sekt und einer Heiligen: Unter der Erde schreitet der Fortschritt voran
Dresden - Der Industriesammler Nord (INS) wird künftig riesige Abwassermengen der Chip-Industrie ins Klärwerk Kaditz leiten. Zwei Drittel der zehn Kilometer langen Strecke verlegen die Bauleute unterirdisch, stellten dabei nun sogar einen Rekord auf. TAG24 war bei der seltenen Tunnel-Taufe dabei.
Alles in Kürze
- Dresden baut unterirdischen Abwassersammler
- Zwei Drittel der zehn Kilometer langen Strecke sind unterirdisch
- Tunnelbohrer „Josefine“ wird getauft und bricht Rekord
- Sammler soll Juni 2026 in Betrieb gehen und 70 Millionen Euro kosten
- Abwasservolumen der Halbleiter-Riesen entspricht 250.000 Privathaushalten

Josefine Leonhardt (35), Mitarbeiterin bei der Stadtentwässerung, schleudert die grüne Flasche Sekt auf den schweren Bohrkopf "Josefine" (28 Tonnen).
Das Glas zerspringt, für wenige Sekunden ist die Baustelle inmitten der Hellerberge in einen süßlichen Duft gehüllt. Eine Bergmannstradition: Vor ihrem nächsten Einsatz in zwölf Metern Tiefe wird die Maschine von der Tunnelpatin (immer eine Frau) und im Namen der Heiligen Barbara (Schutzpatronin) getauft.
Für die versammelten Helmträger gibt es Schnittchen und Kaltgetränke. Sie haben einen weiteren Grund zum Feiern: Kürzlich grub sich die Truppe unterirdisch exakt 1212 Meter bis zur Radeburger Straße vor. Neuer deutscher Rekord in diesem Durchmesserbereich! Seit Freitag geht es für die Tiefbauer in die andere Richtung, bis zur Fabrik von Infineon (Königsbrücker Straße).
Rohvortrieb bedeutet, dass sich der Bohrer durch Sand und Gestein frisst, während hinter ihm neun Tonnen schwere Betonrohre per Hydraulikpresse eingeschoben werden. Sensoren ermöglichen eine zentimetergenaue Steuerung aus einem Container neben der Baugrube.


Sammler soll Juni 2026 in Betrieb gehen

"Die Arbeiter schaffen so pro Tag gute 40 Meter", ist Torsten Seiler (51), Investitions-Chef bei der Stadtentwässerung, zufrieden. Das Projekt liegt im Zeitplan, Beschwerden oder größere Zwischenfälle habe es bislang nicht gegeben.
Bosch, Infineon, Globalfoundries, bald auch ESMC: Schon jetzt entspricht das Abwasservolumen der Halbleiter-Riesen der Menge von mehr als 250.000 Privathaushalten - Tendenz stark steigend.
Mit dem 70 Millionen Euro teuren ISN bekommen die Hersteller ihre eigene Leitung nach Kaditz und entlasten so das Netz der Neustadt. Im Juni 2026 soll der Sammler in Betrieb gehen.
Und auch für "Josefine" geht es weiter: Sie kommt als Nächstes bei einem Projekt der SachsenEnergie (Klotzsche) zum Einsatz.
Titelfoto: Norbert Neumann