Sind Fetscher und Carus heute noch zeitgemäß? Experten beraten über umstrittene Stadtpromis

Dresden - Rainer Fetscher oder Carl Gustav Carus - zwei Namen, die jeder Dresdner kennt. Als Ehrenbürger der Stadt finanziert das Rathaus sogar ihre Grabpflege. Doch wie lange noch? Schließlich sind ihre Biografien nicht makellos. Eine Fachkommission, die kaum einer kennt, prüft solche Fragen akribisch.

Rainer Fetscher (†49, l.) und Carl Gustav Carus (†80) galten lange Zeit als zwei der einflussreichsten Mediziner aus Dresden. Doch waren ihre Westen wirklich so weiß wie die Kittel, die sie trugen?  © Fotomontage: wikipedia, Deutsche Fotothek

Vor knapp vier Jahren rief der Stadtrat die "Fachkommission historische Persönlichkeiten" ins Leben. Sie berät darüber, wie mit verstorbenen Ehrenbürgern der Stadt umgegangen werden soll, die sich moralisch angreifbar gemacht haben - und trotzdem noch in kommunal bezahlten "Ehrengräbern" liegen.

So wurde bei der Sitzung am Freitag im Kulturrathaus lebhaft über die Verfehlungen etwa der Mediziner Rainer Fetscher (1895-1945) oder Carl Gustav Carus (1789-1869) debattiert. "Bis vor wenigen Jahren war Carus noch keine problematische Persönlichkeit", referierte Professor Andreas Rutz (51). "Aber das hat sich etwas geändert, weil man näher darauf geschaut hat, was er so publiziert hat."

Darunter: mindestens 25 Werke über "rassentheoretische Fragen". Aus heutiger Sicht ebenso unglücklich der Lebenslauf von Fetscher, der zur "Rassenhygiene" Sterilisationen durchführte, sich den Nazis anbiederte - später aber mit Oppositionellen verkehrte und quasi rehabilitiert wurde. Das Urteil der Kommission über die beiden Toten: Sie fallen unter eine "Kategorie B", seien "historisch umstritten".

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Carus' Grabwidmung sei "abzuwägen", bei Fetscher gab das Gremium kein Urteil.

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Insgesamt soll über 150 Ehrengräber auf den Dresdner Friedhöfen debattiert werden. Was aus ihnen wird, entscheidet der Stadtrat.  © Norbert Neumann

Urteil könnte auch eine Umbenennung mancher Straßen mit sich ziehen

Das Grab von Carl Gustav Carus befindet sich auf dem Trinitatisfriedhof in der Dresdner Johannstadt.  © Norbert Neumann

"Fetscher ist aus der Dresdner Stadtgeschichte nicht wegzudenken. Das zieht politische Konsequenzen nach sich", bemerkte Archivleiter und Kommissionsmitglied Thomas Kübler (60). Urteile der Kommission könnten übrigens auch Konsequenzen für Straßennamen haben - eine interne "Arbeitsgruppe Straßennamen" der Stadtverwaltung steht mit ihr im Austausch.

Letztlich entscheidet der Stadtrat über den Erhalt von Ehrengräbern oder Straßennamen, die Kommission kann nur Empfehlungen geben.

Bald ist es so weit: "Im Laufe des Jahres 2026 wird dem Stadtrat eine Vorlage über die Fortführung von rund 150 Ehrengräbern vorgelegt werden", verspricht Kulturamtsleiter David Klein (47), der zugleich ständiges Kommissionsmitglied ist.

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