Flucht, Knast und schnelle Pferde: Sächsischer Star-Jockey veröffentlicht Biografie
Dresden - Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde ... Sollte dieses Sprichwort stimmen, müsste Jockey-Legende Lutz Mäder (72) auf ein extrem glückliches Leben zurückblicken. 1625 Siege zählte der gebürtige Sachse in seiner aktiven Zeit. Doch auch Republikflucht, DDR-Knast und ein zäher Karriere-Neustart im Westen gehören zu Mäders Biografie, die jetzt in Buchform erschienen ist.
"Mein Ritt durchs Leben" heißt passenderweise das Buch, das mit Mäders Geburt 1951 im kleinen Langhennersdorf beginnt (heute Ortsteil von Oberschöna, Mittelsachsen). Die Familie wohnte auf einem Vierseitenhof in ein paar Zimmern über dem Kuhstall. Drei der vier Großeltern waren schon tot - der Krieg hatte seine Opfer gefordert.
Als Vorschulknirps zog es Lutz in dieser ländlichen "Idylle" meist zu den vier Arbeitspferden im Stall. "Ich liebte schon ihren markanten Duft", erinnert Mäder sich bis heute.
Auch nach dem Umzug in eine bessere Wohnung fand sich ein Hof mit Pferden in der Nähe. Sogar ein Reit- und Turnierplatz war fußläufig erreichbar. Der junge Lutz war dort Dauergast, die Tiere schienen damals riesengroß.
"Das Allerschönste war, wenn ich als Knirps sogar mal draufgesetzt wurde", sagt Mäder, der als Kind erst Scharlach, dann Haarausfall bekam und wochenlang krank darniederlag. Dies, so glaubt er, "könnte die körperliche Entwicklung gebremst haben". Heißt: Er blieb ziemlich klein, 1,52 Meter. Sicher auch ein Grund, warum man ihm nach der Schulzeit zu einer Jockey-Lehre riet.
Lehrer und Eltern hätten es damals lieber gesehen, wenn Lutz an der Dresdner Kunstakademie gelernt hätte, das Zeichentalent war jedenfalls da. Doch die Liebe zu den Pferden war stärker, führte ihn nach Berlin-Hoppegarten - ins Zentrum des DDR-Galopp-Rennsports.
Mäder erweist sich als Naturtalent - doch der Sozialismus passt ihm nicht
80 Mark Lehrgeld gab es dort anfangs nur, das Geld fürs Mittagessen ging davon noch ab. Zum Monatsende ging es da schon mal in die umliegenden Schrebergärten, auf der "Suche nach Obst, Gemüse, Nüssen".
Zum Glück verbesserten erste Preisgelder schon bald Mäders finanzielle Situation, denn im Sattel erwies der sich als Naturtalent. Trainingsfleiß kam noch hinzu - 156 Siege in der DDR sprechen eine deutliche Sprache.
Andererseits war Mäder bei den Partei-Bonzen untendurch, als er sich weigerte, ein Jahr lang in der Sowjetunion zu reiten. Überhaupt behagte ihm dieser Sozialismus nicht, seit er als Jugendlicher einen benachbarten Bauern im Tor hatte hängen sehen - Suizid, weil man ihn in die LPG drängen wollte.
Mäder eckte an, hielt seine Klappe nicht, wollte schließlich raus aus dem Arbeiter- und Bauernstaat.
Republikflucht, DDR-Knast und ein zäher Karriere-Neustart
Der Plan: Eine Flucht über die Donau von Rumänien nach Jugoslawien. Ausgerechnet an einem Stausee und bei Gewitter wagte sich Lutz Mäder 1973 schwimmend auf die etwa vier Kilometer lange Strecke.
Irgendwie schaffte er es mit letzter Kraft, wurde aber von scheinbar hilfsbereiten Jugendlichen verraten und später festgenommen. Stasi-Verhöre, Abschiebung, Prozess - zwei Jahre Haft wegen Republikflucht lautete das Urteil.
Eine harte, entwürdigende Zeit. Knast-Alltag mit bis zu 40 Häftlingen in einem Zimmer. Lutz Mäder ließ sich nicht brechen. Überraschend für ihn wurde er schon 1974 in den Westen abgeschoben. Ein Zuckerschlecken erwartete den Jockey dort nicht.
Aber er setzte sich durch. Arbeitete sich hoch in verschiedenen Rennställen, überzeugte mit seinem Gespür für Pferde und mit seiner ehrlichen, zupackenden Art. Als im März 1990 der Berliner Hoppegarten zum ersten "Deutsch-deutschen Renntag" lud, kam Lutz Mäder als Erster ins Ziel.
"Emotional das größte Rennen, das ich je gewonnen habe", sagt er rückblickend. Dabei hatte Mäder auch 1987 das Deutsche Derby gewonnen und war zuvor beim "Prix De L'arc De Triomphe", dem wichtigsten Rennen der Welt, recht unglücklich "nur" Fünfter geworden. Ein Held seiner Zeit.
Einmal Sachse, immer Sachse
Bis 1997 bestritt Lutz Mäder Rennen, im Rennstall seiner Frau und Jugendliebe Erika ritt er noch bis April letzten Jahres selbst.
Danach machte er sich mit einem befreundeten Texter ans Schreiben seines Buchs, für das er gerade fast täglich Glückwünsche und Lob kassiert.
"Ich bin schon zufrieden mit meinem Leben", resümiert der Mann, der vermutlich viele Jahre davon auf dem Rücken unzähliger Pferde verbracht hat - und den die Reiserei heute nicht mehr reizt. "Außer einer Woche Skifahren in Oberwiesenthal", die will der Ex-Jockey sich je nach Schneelage diesen Winter mit einem Freund noch gönnen.
Einmal Sachse, immer Sachse. "Heimat ist, wo man geboren ist", sagt Mäder, auch wenn er längst in Krefeld am Niederrhein zu Hause ist.
"Mein Ritt durchs Leben" von Lutz Mäder (unter Mitarbeit von Peter Brauer) ist im Deutschen Sportverlag erschienen. Hardcover, erschienen im DSV Deutscher Sportverlag, Preis: 19,80 Euro. Zu beziehen unter www.galopponline.de/maeder.
Titelfoto: Montage: privat (2), Imago/Thomas Zimmermann