Weltkrieg, Sozialismus und Hochwasser: Alles wieder Super bei Deutschlands ältester Tanke
Dresden - Nach gut zwei Jahren Baustellen-Nadelöhr rollt der Verkehr an der Bautzner Straße seit drei Wochen wieder. Damit ist auch die Leidenszeit für die 1927 gebaute kultige Tankstelle mit rundem Dach und achteckigem Klinkerhäuschen vorbei.

Dank überwältigender Unterstützung von Kunden überstand Deutschlands älteste noch aktive Tanke dieser Art die Querelen und nähert sich jetzt ihrem 100-jährigen Jubiläum.
Beinahe hätte die Dauer-Baustelle das Aus für die Kult-Tanke bedeutet, die bereits Weltkrieg, Sozialismus und Hochwasser überstanden hatte. "Streckenweise gab es bis zu 45 Prozent Umsatzeinbruch", sagt Pächterin Ute Jautze (65), gelernte Schlosserin, die seit 1998 den Zapfsäulenbetrieb betreut.
"Von den Behörden gab es keine Unterstützung. Wäre mir mein Verpächter (TotalEnergies, früher Total, Anm. d. Red.) nicht entgegengekommen, hätte ich es nicht geschafft. Und natürlich bedanke ich mich herzlich bei allen Kunden, von denen uns so viele auch in der schweren Zeit die Treue gehalten haben. Viele umliegende Geschäfte haben sogar für uns geworben."
Auch Oldtimerfreunde und Biker halfen mit Tank-Treffs, sorgten für Umsatz.


Kaum ein Zentimeter Raum, der nicht ausgenutzt wird

Jautzes Reich erstreckt sich über rund 20 Quadratmeter im Klinkerbau. Kaum ein Zentimeter Raum, der nicht ausgenutzt wird. Neben üblichen Waren wie Motoröl oder Holzkohle bietet Jautze auch Kuscheltiere und frische Gurken an.
"Faszinierend, wie viel man in das Häuschen bekommt", sagt Kunde Thomas Feske (41). "Außerdem mag ich die Mitarbeiter." Drei Vollzeit-Kräfte beschäftigt Jautze, die sich wochentags von 5 bis 22 Uhr um Kundschaft kümmern.
"Jetzt weiß ich gar nicht mehr, was ich noch wollte", sagt ein älterer Herr an der Kasse. "Aber ich!", entgegnet Jautze lächelnd und reicht ihm eine Schachtel Zigarillos über den Tresen.
"Gut, dass es die Tankstelle gibt", sagt Lars Zobel (59), der hier einmal die Woche seine Brötchen holt.

In zwei Jahren wird die Tanke 100 Jahre alt


Auch preislich unterscheidet sich der Betrieb von seiner Konkurrenz. Cappuccino 1,80 Euro, Bocki mit Brötchen 2,50 Euro, Radeberger 1,80 Euro. "Man muss ja nicht jeden Trend mitmachen", sagt Jautze zu ihrer verbraucherfreundlichen Preispolitik.
In zwei Jahren wird die Tanke 100 Jahre alt. Jautze würde das am liebsten dann selbst als Gast feiern, kommendes Jahr in Rente gehen. Einen Nachfolger für Dresdens schönste Tanke wird sie sicher finden ...
Titelfoto: Fotomontage: Thomas Türpe//SLUB