Verkehrserziehung in den 1930er-Jahren: Als für Radfahrer noch die "10 Gebote" galten

Dresden - Stau, Baustellen, Radspuren - kaum ein anderes Thema erhitzt derzeit die Gemüter so sehr wie der Straßenverkehr in Dresden. Aber wer denkt, das sei ein Problem der Neuzeit, der irrt. Schon vor knapp 100 Jahren wurde in der Stadt heftig diskutiert, weiß Archivarin Claudia Richert. Während heute allerdings die Autos den Radfahrern Platz machen sollen, war es damals genau andersherum. In der TAG24-Sommerserie "Geheimes Dresden" blicken wir zurück.

Beim Durchforsten alter Akten fand Archivarin Claudia Richert heraus, wie Verkehrserziehung früher gehandhabt wurde.
Beim Durchforsten alter Akten fand Archivarin Claudia Richert heraus, wie Verkehrserziehung früher gehandhabt wurde.  © Norbert Neumann

Autos waren damals eine junge Erfindung. Entsprechend sollte der Autoverkehr ausgebaut statt eingehegt werden - und es waren Radler, die dabei störten.

"1934 wurde in der Reichsstraßenverkehrsordnung zementiert, dass die Straße den Autofahrern gehört. Zunehmend rückten Radfahrer in den Fokus verkehrserzieherischer Bemühungen", erzählt Claudia Richert. Sie hütet im Stadtarchiv u.a. historische Original-Plakate und Broschüren aus dem Dresdner Stadtleben der Vorkriegsjahre.

Vor knapp 100 Jahren hingen sie in Dresdner Schulen aus und wurden verteilt. Zum Beispiel ein Dresdner Verkehrsmerkblatt von 1929 oder ein Infoheft namens "Der Radfahrer im Großstadtverkehr".

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Die Absicht: Schüler und indirekt ihre Eltern an geltende Verkehrsregeln gewöhnen. "Alle haben sich ja erst mal wüst verhalten. Viele wussten mit Verkehrsschildern nichts anzufangen und kannten die Regeln nicht", so die Archivarin. Reihenweise Unfälle waren die Folge.

In den 1930er-Jahren war das Terrassenufer bereits eine wichtige Verkehrsachse - natürlich auch für Fahrradfahrer.
In den 1930er-Jahren war das Terrassenufer bereits eine wichtige Verkehrsachse - natürlich auch für Fahrradfahrer.  © SLUB/Fotothek
Die Annenstraße 1936. Da stand bereits fest, dass Straßen generell Autofahrern vorbehalten sein sollten.
Die Annenstraße 1936. Da stand bereits fest, dass Straßen generell Autofahrern vorbehalten sein sollten.  © SLUB/Fotothek

Die 10 Gebote für Radfahrer sollten für weniger Unfälle sorgen

In dieser Akte des Dresdner Schulamts verbergen sich kuriose Dokumente von früher, etwa ein Flyer mit der Überschrift "10 Gebote für Radfahrer!".
In dieser Akte des Dresdner Schulamts verbergen sich kuriose Dokumente von früher, etwa ein Flyer mit der Überschrift "10 Gebote für Radfahrer!".  © Norbert Neumann

Insbesondere "der regellose Radfahrverkehr" würde "vielfach Unglücksfälle" herbeiführen, erklärte das Schulamt Mitte der 1930er-Jahre und ließ Plakate aufhängen, die in großen roten Lettern warnen: "Radfahrer - gefährdet den Verkehr nicht! Fahrt rechts und einzeln!"

Im selben Zeitraum wurden 8000 Flyer namens "10 Gebote für Radfahrer" an Dresdner Schulen ausgeteilt. "Jährlich verunglücken rund 80.000 Radfahrer im Verkehr, davon 650 tödlich", heißt es mahnend darin …

"Wurden der Schulleitung Regelbrüche bekannt, sollte sie Schulstrafen verhängen", berichtet Richert. Welche Sanktionen genau verhängt wurden, ist nicht überliefert.

Den Slogan "Radfahrer - gefährdet den Verkehr nicht!" dachte sich das Sächsische Ministerium des Innern aus.
Den Slogan "Radfahrer - gefährdet den Verkehr nicht!" dachte sich das Sächsische Ministerium des Innern aus.  © Stadtarchiv Dresden
Dieser Dresden-Stadtplan ist 1937 erschienen. Darauf eingezeichnet: eine "Verkehrsordnung für Radfahrer".
Dieser Dresden-Stadtplan ist 1937 erschienen. Darauf eingezeichnet: eine "Verkehrsordnung für Radfahrer".  © SLUB/Fotothek

Weitere interessante Fakten gibt es im neuen Buch des Stadtarchivs

Wer vor 90 Jahren mit dem Rad durch Dresden kurven wollte, hatte sich an die Regeln zu halten.
Wer vor 90 Jahren mit dem Rad durch Dresden kurven wollte, hatte sich an die Regeln zu halten.  © IMAGO/AGB Photo

Heute ist der Radverkehr ein nicht weniger heißes Eisen als damals.

Aber Warn-Plakate oder "10 Gebote" sind aus dem Stadtbild längst verschwunden. Manch Autofahrer wünscht sie sich vielleicht zurück ...

Weitere spannende Anekdoten aus der Stadtgeschichte finden sich im neuen Buch des Stadtarchivs namens "in civitate nostra Dreseden".

Exklusiv erhältlich im Stadtarchiv Dresden (Preis: 49 Euro) oder per Online-Bestellung unter: www.dresden.de/stadtarchiv-buch

Titelfoto: Norbert Neumann

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