Teurer Auftritt im Mittelalter-Gewand: Osterspektakulum auf Schloss Burgk

Oederan (Sachsen) - Jedes Jahr zu Ostern beginnt ihre Saison: Dann campieren Geschichts- und Mittelalter-Vereine wieder regelmäßig in Feld- und Heereslagern bei Burgfesten und Stadtfeiern.

Die Epoche des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648) übt bis heute eine große Faszination aus.
Die Epoche des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648) übt bis heute eine große Faszination aus.  © picture-alliance / akg-images

Doch das sind keine wilden Kostümpartys, sondern altehrwürdige Geschichtsgesellschaften in authentischen Gewändern. Die Vereinsmitglieder stecken nicht nur viel Zeit und Liebe, sondern auch viel Geld in ihr Hobby.

Wir haben mal nachgefragt und rechnen vor, was die Lust an originalgetreuen Auftritten kostet.

Osterspektakulum auf Schloss Burgk

Erstürmung der Festung mit Kanonen und Muskete: Im Juni heißt es beim Historienspektakel wieder "Die Schweden erobern den Königstein".
Erstürmung der Festung mit Kanonen und Muskete: Im Juni heißt es beim Historienspektakel wieder "Die Schweden erobern den Königstein".  © Marko Förster

Schießen, sterben, leiden. Die 13 Mitglieder vom Historischen Verein Oederan e.V. lassen regelmäßig die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) wieder aufleben - seit Vereinsgründung 2009 im inzwischen 15. Jahr.

Am Osterwochenende schlagen sie ihr Zeltlager beim Mittelalterlichen Osterspektakulum auf Schloss Burgk in Freital (bei Dresden) auf. Am ersten Juniwochenende kämpfen sie beim Historienspektakel an der Festung Königsstein unter dem Motto "Die Schweden erobern den Königstein" mit.

Vereinsvorsitzender Dieter Heinrich (69) schlüpft dabei quasi in die Original-Gewandungen eines alten Oederaners: "Gottfried Holtzmüller lebte von 1609 bis 1659, starb auf Gut Hohelinde bei Oederan. Er war Offizier in der Armee von Schwedenkönig Gustav Adolf." Genau wie Heinrich heute, wenn er in historischer Offiziersuniform der Freikompanie von Gustav Adolf in die Schlacht zieht.

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Seine Tochter Peggy Hoffmann (49) ist in den Feldlagern eine Marketenderin. Sie kocht, kümmert sich um die Kinder und hofft bei jedem Waffengang, dass ihr Ehemann - ein Kanonier am Mörser - heil aus dem Schlachtgetümmel zurückkommt.

"Andernfalls musste ich mich wie historisch belegt als Krankenschwester oder Hure durchschlagen."

Das kostet den Vereinsvorsitzenden sein Kostüm

Dieter Heinrich (69) mimt einen schwedischen Offizier. Der Vorsitzende des Geschichtsvereins Oederan erklärt, was er für seine originalgetreue Darstellung springen ließ.
Dieter Heinrich (69) mimt einen schwedischen Offizier. Der Vorsitzende des Geschichtsvereins Oederan erklärt, was er für seine originalgetreue Darstellung springen ließ.  © Kristin Schmidt

Dieter Heinrich (69) ist im Lager ein Offizier der Freikompanie von König Gustav Adolf im Dreißigjährigen Krieg.

150 Euro. Der Filzhut ist wasserdicht, denn Regenschirme gab es noch nicht. Ihn zieren zwei Straußenfedern (je 10 Euro), die regelmäßig ersetzt werden müssen.

260 Euro. Brillen gibt es bereits seit dem 13. Jahrhundert. Eine stilechte Hornbrille nachzumachen, würde jedoch über 1000 Euro kosten. Deshalb trägt Heinrich seine neumodische Brille bei den Feldlagern. Denn weil Offiziere auch damals schon eitel waren und auf eine Brille verzichteten, wurden sie auf dem Schlachtfeld schnell zu "blinden" Opfern.

• 10 Euro. Der Kragen ist aus einem Bettlaken selbst genäht. Die Spitze stammt aus der Posamenten-Manufaktur von Schloss Schlettau (bei Annaberg-Buchholz).

80 Euro. Die Weste kommt aus dem Mittelalter-Onlineshop Mytholon.

12 Euro. Für die sechs Messingknöpfe mit einer Kupferöse zum Annähen legte Heinrich bei einem Sattler aus Freital 2 Euro/Stück hin: "Eigentlich gehören mehr als sechs Knöpfe an die Leiste, und zwar aller zwei Zentimeter. Aber sie lassen sich nur sehr schwer annähen."

60 Euro. Das Hemd stammt vom Mittelalter-Ausrüster Leonardo Carbone - ein Familienunternehmen aus Frankfurt am Main. Im Original bestanden die Hemden aus gelblichem Nesselstoff. "Doch der kratzt widerlich", weiß Heinrich und stieg auf die Baumwollhemden der deutschen Gewandmanufaktur um.

So manches Accessoire muss erst noch aufgearbeitet werden

Kartenspielende Soldaten im Feldlager: Ölgemälde von Sébastien Montpellier Bourdon von 1643.
Kartenspielende Soldaten im Feldlager: Ölgemälde von Sébastien Montpellier Bourdon von 1643.  © picture alliance / akg-images

75 Euro. Die Handschuhe kaufte Heinrich im vergangenen Herbst bei einem tschechischen Handschuhmacher im Lager von Bílá Hora (Tschechien), wo im Dreißigjährigen Krieg die Schlacht am Weißen Berg wütete. Sie dienten vor allem zum Schutz gegen den scharfen Grat am Degen, der damals mangels Technik nur mit einem Sack voll nassem Sand notdürftig entgratet wurde. Polierte Hirschfänger besaßen nur die hohen Herrschaften.

• 400 Euro. Die völlig verrostete Originalklinge seines Rapiers (Säbel) kaufte Heinrich bei einem Trödler in Nossen als "elendigen Rostbatzen", arbeitete sie auf und schliff sie. Für das Heft wurde feiner Messingdraht geflochten. Die Schnalle (6 Euro) fand er bei einem Sattler. Der Rapier steckt in einer mit Holz ausgekleideten und mit Leder überklebten Scheide. "Er hängt links am Körper, damit er mit der rechten Hand schnell aus der Scheide gezogen werden konnte", erklärt Heinrich.

• 100 Euro. Die weiß-gold-grüne Schärpe durften nur Offiziere um den Bauch herum tragen. Sie ist 2,40 Meter lang, handgenäht, und mit goldenen Fransenborten versehen.

Vermutlich, weil er kurzsichtig war und deshalb den feindlichen Reihen zu nahe kam: Königs Gustav II. Adolf von Schweden wurde in der Schlacht bei Lützen am 6. November 1632 angeschossen und starb.
Vermutlich, weil er kurzsichtig war und deshalb den feindlichen Reihen zu nahe kam: Königs Gustav II. Adolf von Schweden wurde in der Schlacht bei Lützen am 6. November 1632 angeschossen und starb.  © Carl Wahlbom, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

• 80 Euro. In der stilechten Schlamperhose ließen sich alle Utensilien des Besitzers unterbringen. Ein Strick verhinderte das Herunterrutschen, denn Gummizüge gab es noch nicht. Auch Hosentaschen waren noch unüblich. Heute besteht die Hose aus 100 Prozent Baumwolle, kann bei 30 Grad in der Maschine im Schonwaschgang gereinigt werden.

• 150 Euro. Stiefel waren früher selten, weil Leder teuer und Schuhwerk noch schwer herzustellen war. Stiefel trug nur der Kurfürst und die Reiterei. Schuhe wurden beim Militär durch Gamaschen vor Schmutz, Feuchtigkeit und Frost geschützt. "Meine Damenstiefel in Größe 41 stammen aus einem Deichmann-Sonderverkauf, bei dem sich einst verschiedene Vereine eingedeckt haben."

• mind. 3000 Euro. Mit dem Panzerbrecher (auch als Hellebarde oder Spieß bezeichnet) wurden die Gegner im Gefecht vom Pferd geholt. Die Spitze ist ein Original (daher auch der hohe Preis), konnte sogar Ritterrüstungen durchdringen.

Das hat Marketenderin Peggy Hoffmann investiert

Vereins-Chef Dieter Heinrich (69) und seine Tochter Peggy Hoffmann (49) in historischen Gewändern.
Vereins-Chef Dieter Heinrich (69) und seine Tochter Peggy Hoffmann (49) in historischen Gewändern.  © Kristin Schmidt

• 10 Euro. Das Häubchen ist aus einem Bettlaken genäht, wird nur von verheirateten Frauen getragen. Daher kommt auch die Redewendung: "Diese Frau ist unter der Haube".

• 6 Euro. Das Tuch wurde aus einer Serviette aus Leinen genäht, muss grau oder grün sein.

• 50 Euro. Die Bluse ist im Onlineshop von Mytholon zu bekommen.

• 50 Euro. Das Mieder stammt aus dem Onlineshop von Leonar- do Carbone.

• 40 Euro. Unterrock

• 60 Euro. Der Oberrock stammt von einem fahrenden Händler auf einem der Mittelaltermärkte.

• 30 Euro. Auch die Schürze bekommt man zum Beispiel im Onlineshop von Mytholon.

• 8 Euro. Der Leibriemen ist aus echtem Leder gefertigt. An ihm sind unter anderem ein Täschchen und das Speisemesser befestigt. Er war nur so breit wie ein Daumen, weil Leder teuer war.

• 30 Euro. Die Täschchen waren früher oft mit Steinen und Sand gefüllt - als Waffe für die Frauen zur Verteidigung.

• 10 Euro. Die Geldkatze war ein Geldbeutel für Taler, aber auch Ringe oder Edelmetallstücke. Wurde er von Räubern vom Gürtel abgeschnitten, waren die wertvollen Habseligkeiten weg. Deshalb werden Diebe heutzutage auch als Beutel- oder Geldabschneider bezeichnet.

Auch ein echtes Festungsgeschütz führen die Oederaner ins Feld

Knapp 1000 Euro ließ der Verein für dieses Festungsgeschütz springen.
Knapp 1000 Euro ließ der Verein für dieses Festungsgeschütz springen.  © Kristin Schmidt

• 50 Euro. Das Speisemesser zum Brot- und Wurstschneiden oder beim Einsatz zur Notwehr wurde immer bei sich getragen (später auch der Löffel) und nach dem Tod den Hinterbliebenen übergeben. Daher kommt die Redensart: "Sie hat den Löffel abgegeben." Der Schaft wurde aus dem Horn eines Rothirsches gefertigt. Heinrich besitzt eine offizielle Lizenz zur Hornverarbeitung von Geweihen. Die Klinge wurde zehn Stunden lang geschliffen. Der zugehörige Gürtel samt Scheide stammt von einem Gerber.

• 30 Euro. Das Horn stammt ursprünglich von einem Langhornrind, war früher als Trinkhorn in Benutzung. Heinrich verzierte es mit grün-silbernen Kordeln - stilecht hergestellt nach der Darstellung auf einem Museumsgemälde.

• 25 Euro. Die Landkarte aus Stoff war das Navi des Mittelalters. Dafür wurde eine Zeichnung des Pfarrers und Vermessers Adam Friedrich Zürner vom kurfürstlichen Mühlenkataster auf Fahnenstoff gedruckt, denn Papier war damals noch selten. Gemeinden waren auf dem faltbaren "Atlas" mit ihren Kirchturmspitzen abgebildet.

• 1000 Euro. Das Festungsgeschütz glänzt mit einem Original-Kanonenrohr, das Heinrich für 400 Euro auf einem Flohmarkt kaufte. Die Lafette baute er aus Eichenholz (300 Euro) selber nach, verzierte sie mit Beschlägen, die von einem alten Leuchter stammen. Der Luntenstab kostet noch einmal 100 Euro extra.

Heinrich: "Alle fünf Jahre brauchen unsere Schwarzpulver-Waffen vom Beschussamt im bayerischen Mellrichstadt einen neuen Waffen-TÜV."

Titelfoto: Montage: Marko Förster, Kristin Schmidt

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