Experte warnt: Klimakrise bringt Hamburg bald Bedingungen wie in Südfrankreich

Hamburg - Gerade sieht es nicht danach aus, aber der Klimawandel ist auch in Hamburg längst in vollem Gange. Wohin das in kurzer Zeit führen kann, hat jetzt ein ARD-Wetterexperte deutlich erklärt.

Der Meteorologe Sven Plöger (56) macht auf die Folgen der Klimakrise aufmerksam. (Archivbild)
Der Meteorologe Sven Plöger (56) macht auf die Folgen der Klimakrise aufmerksam. (Archivbild)  © Arne Dedert/dpa

Sven Plöger (56), Meteorologe bei "Das Wetter im Ersten", gab dem Spiegel ein langes Interview. Darin sagte er: "Es gibt Datensätze, auf denen man den Breitengrad sehen kann, auf dem sich Hamburg in 20 Jahren klimatisch befinden wird: Dann landet man in Südfrankreich." Das heißt, es wird heißer und trockener.

Bereits Ende 2021 hat eine Analyse des Umweltbundesamtes (UBA) festgestellt, dass sich die klimatischen Bedingungen um hunderte Kilometer verschieben. Demnach hatte Hamburg im Betrachtungszeitraum 1986 bis 2015 ein Klima, das es zwischen 1961 und 1990 in Köln gab.

Bis 2071 werde es weitere Verschiebungen geben.

"Städte, die heute für deutsche Verhältnisse relativ kühl und feucht sind, wie Hamburg, Bremerhaven oder Stralsund, können klimatisch in der Nähe der französischen Atlantikküste – zwischen Nantes und Bordeaux – landen", schrieben die Autorinnen.

Karte zeigt, wie sich Klima in Deutschland verschiebt

Die Karte zeigt die Verschiebungen der klimatischen Bedingungen ausgewählter deutscher Städte.
Die Karte zeigt die Verschiebungen der klimatischen Bedingungen ausgewählter deutscher Städte.  © Montage: Eurac Research (2)

Menschen handeln laut Plöger erst bei spürbarer Bedrohung

So warm und trocken zeigte sich der Sommer im Juli selten in Hamburg. (Archivbild)
So warm und trocken zeigte sich der Sommer im Juli selten in Hamburg. (Archivbild)  © Christian Charisius/dpa

Doch statt sich auf das Kommende einzustellen, scheine die Gesellschaft blockiert. Plöger beschrieb das im Interview als eine "Mischung aus Schönreden und Abwarten".

Es gebe kein Wissensproblem, sondern ein Handlungsproblem. Der Mensch sei ein Gewohnheitstier und ändere möglichst wenig. "Erst wenn die Bedrohung unmittelbar zu spüren ist, agieren wir."

Plöger: "Der Klimawandel wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten dermaßen in unseren Alltag bohren, dass er verdient hätte, die größtmögliche Aufmerksamkeit zu erhalten."

Angesichts des derzeit typisch nassen und kühlen norddeutschen Sommers scheinen Hitze und Trockenheit in weiter Ferne.

Doch nur ein Blick in die Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für Juni zeigt, dass es im Vormonat sehr warm und trocken war.

Hohe Temperaturen haben in Hamburg zugenommen

Die Daten des Senats zeigen deutlich die Zunahme der Temperaturen in Hamburg.
Die Daten des Senats zeigen deutlich die Zunahme der Temperaturen in Hamburg.  © Screenshot/buergerschaft-hh.de

Hamburg brach in vergangenen Jahren mehrere Hitzerekorde

Die klimatischen Bedingungen von Bordeaux sollen in wenigen Jahrzehnten in Hamburg herrschen. (Archivbild)
Die klimatischen Bedingungen von Bordeaux sollen in wenigen Jahrzehnten in Hamburg herrschen. (Archivbild)  © Valentin Wechsler/Unsplash

Die Mitteltemperatur im Juni lag bei 18,8 Grad, im Vergleichszeitraum 1961 bis 1990 waren es 15,7 Grad. Die Sonne schien 310 Stunden (216 Stunden).

Es regnete zwar 75 Liter pro Quadratmeter (70 l/m²), die leicht überdurchschnittliche Menge kam vor allem durch die von Tief "Lambert" ausgelösten Unwetter Ende des Monats zustande.

In den Vorjahren fielen im Sommer drei Hitzerekorde. So gab es im Jahr 2018 insgesamt 19 Tage mit über 30 Grad. Im August 2020 waren es sogar acht Tage am Stück. Mit 40,1 Grad meldete die Wetterstation Neuwiedenthal am 20. Juli 2022 die höchste jemals so weit nördlich in Deutschland gemessene Temperatur.

Angesichts der Aussicht, dass sowas in wenigen Jahren normal werden könnte, erscheint der Titel Bordeaux des Nordens wenig erstrebenswert.

Titelfoto: Montage: Valentin Wechsler/Unsplash, Christian Charisius/dpa

Mehr zum Thema: