Traunstein - Es ist ein Fall, der erschüttert, immer wieder fließen Tränen bei dem Prozess am Landgericht Traunstein - bei der Beschuldigten (39) ebenso wie bei den Zeugen. Denn die schreckliche Tat, um die es geht, ist extrem verstörend.
Zwei sechs und sieben Jahre alte Kinder wurden in der Nacht zum ersten Weihnachtsfeiertag 2024 erschlagen, lagen blutüberströmt im Schlafzimmer, die Mutter saß an der Bettkante. War es die 39-Jährige, die womöglich im Wahn gehandelt hat?
Die Staatsanwaltschaft wirft ihr Mord im Zustand der Schuldunfähigkeit wegen einer paranoiden wahnhaften Störung vor. Die Angeklagte ist derzeit in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.
Blass und angespannt sitzt die zierliche Frau mit Fußfesseln zwischen ihren Verteidigern und wirkt, als könnte sie die Geschehnisse jener Nacht gar nicht so wirklich fassen. Äußern will sie sich nicht.
Ihr gegenüber als Nebenkläger sitzt der Vater der Kinder. Anfangs noch gefasst, bricht auch ihm die Stimme, als er den Moment schildert, als Polizisten ihm die Nachricht vom Tod seiner Kinder überbrachten.
Weihnachtsabend war der traurige Höhepunkt, einer folgenschweren Entwicklung
Der Weihnachtsabend war der traurige Höhepunkt, auf den alles zusteuern sollte, diesen Eindruck erwecken die Aussagen der Zeugen am Montag.
Arbeitskollegen, der Vater und eine Freundin zeichnen das Bild einer Frau, die fröhlich war, aber auch zunehmend mit Problemen kämpfte.
Sie sei psychisch instabil gewesen, habe unter Ängsten gelitten, auch Alkohol sei zeitweise im Spiel gewesen. Ihren Kindern gegenüber sei sie aber fürsorglich und liebevoll gewesen. "Sie war eine Mutter, die das Beste für ihre Kinder wollte", formuliert es eine Freundin, die die Beschuldigte selbst bereits von Kindesbeinen auf kennt.
Mit dem Vater kam die Frau 2014 zusammen - eine Beziehung mit schönen Seiten, aber auch mit vielen Konflikten, wie der 44-Jährige erklärte. Sie sei eine "Person der Extreme" gewesen. Im Dezember 2023 habe er sich getrennt.
Mehrere Monate später spitzte sich die Lage den Aussagen zufolge entsprechend weiter zu. Sie habe erzählt, dass der Sechsjährige in seinem Kindergarten missbraucht worden sei, sagten mehrere Zeugen. Der Vater erklärte, er habe diese Sorgen ernst genommen. Doch wie andere hatte auch er den Eindruck, dass die Anschuldigungen der Frau immer abstruser wurden. Außerdem habe sie ihn mit Nachrichten auf dem Handy in dieser Zeit regelrecht bombardiert.
Schreckliche Tat kurz nach Heiligabend: Letztes Gespräch mit Kindern und Frau
An Heiligabend sprach er seinen Angaben zufolge zum letzten Mal mit seiner Tochter und seinem Sohn, die den Tag mit der Mutter verbrachten. Er habe mit ihnen telefoniert, auch die 39-Jährige habe bei dem Gespräch ruhig und angenehm gewirkt.
Stunden später, mitten in der Nacht, rief sie dann einen Arbeitskollegen an und bat ihn, zu kommen, wie der Mann vor Gericht aussagte. Er habe sich Sorgen gemacht und sei zu ihr gefahren. Über die offene Terrassentür sei er dann ins Haus gelangt.
Im Schlafzimmer habe sie zusammengesunken auf der Bettkante gesessen, dahinter hätten ihre beiden Kinder gelegen, "erschlagen, alles blutverspritzt".
Der Erzieher alarmierte die Polizei, Rettungskräfte versorgten die 39-Jährige, sodass sie letztlich auch wieder zu sich kam. Ein Polizist berichtete von einer blutverschmierten Axt, die in einer Ecke gestanden habe, womöglich das Werkzeug der schlimmen Tat.
Es sind Bilder, die sich eingebrannt haben.
Vater leidet auch Monate später immer noch sehr unter der Tat.
"Irgendwie gibt es ein Davor und ein Danach", räumte er im Prozess ein. Er sei in therapeutischer Behandlung, arbeite auch wieder und versuche, wieder ins normale Leben reinzufinden. "Das ist eine Mischung aus Ablenkung und Verarbeitung."
Dem Arbeitskollegen hat sich das Erlebte ins Gedächtnis eingebrannt. Ein Polizist, der nach dem Notruf gegen 3.30 Uhr am 25. Dezember unter den Ersten am Tatort war, bekennt: "Das ist der entsetzlichste Einsatz gewesen, den ich seit jeher erlebt habe."
Bei dem Gerichtsprozess handelt es sich um ein Sicherungsverfahren. Dabei geht es um die Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses. Auch wenn es keine Anklage wie in einem normalen Strafverfahren gibt, sondern eine entsprechende Antragsschrift, wird solch ein Fall dennoch vor Gericht verhandelt.
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