Wiederaufbau nach heimlichem Abriss gefordert: Verrücktes Urteil im Streit um Denkmal-Villa in Dresden

Dresden - Bahnbrechendes Urteil am Dresdner Verwaltungsgericht: Die denkmalgeschützte Villa an der Tolkewitzer Straße 57 in Blasewitz, die der Eigentümer im Sommer 2014 ohne Genehmigung abgerissen hatte, muss wieder aufgebaut werden! Der Rechtsstreit tobt bereits seit Jahren.

Wo einst die Villa stand, ist heute nur noch Wiese. Auf dem Grundstück an der Tolkewitzer Straße befindet sich noch das ehemalige Stallgebäude, das zum Wohnhaus ausgebaut wurde.
Wo einst die Villa stand, ist heute nur noch Wiese. Auf dem Grundstück an der Tolkewitzer Straße befindet sich noch das ehemalige Stallgebäude, das zum Wohnhaus ausgebaut wurde.  © Norbert Neumann

Der Fall sorgte 2014 für Schlagzeilen. Damals ließ Grundstückseigentümer Dieter K. (heute 82) seine denkmalgeschützte unbewohnte Villa, gebaut Anfang des 20. Jahrhunderts, wegbaggern. Und das, obwohl das Rathaus zuvor wiederholt seine Anträge auf Abriss abgelehnt hatte.

Der gebürtige Dresdner war selbst in dem Haus aufgewachsen. Er fiel später der Stasi zum Opfer und baute sich im hessischen Rüsselsheim schließlich eine neue Existenz auf.

Den Abriss der Villa in seiner Heimat begründete er auch mit enormen Schäden im Haus, in dem es bereits mehrmals gebrannt hatte. Zuletzt nur wenige Wochen vorm Abriss.

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Die Polizei ermittelte wegen Brandstiftung. Ein Verfahren gegen Dieter K., der selbst verdächtigt wurde, stellte die Staatsanwaltschaft ein.

Im Sommer 2014 ließ Eigentümer Dieter K. das Haus mit einem Bagger ohne Genehmigung abreißen.
Im Sommer 2014 ließ Eigentümer Dieter K. das Haus mit einem Bagger ohne Genehmigung abreißen.  © Eric Münch
Einer von mehreren Bränden, die in der Villa wüteten.
Einer von mehreren Bränden, die in der Villa wüteten.  © Roland Halkasch

Dieter K. akzeptiert Urteil nicht

Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (45, Linke).
Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (45, Linke).  © Holm Helis

Zwar war der Eigentümer damit den Straftatverdacht los, nicht aber das Rathaus. Das verlangte den Wiederaufbau der Denkmal-Villa, die auch nach den Bränden noch zu retten gewesen wäre, so die Stadtverwaltung - er hätte die Villa mutwillig zerstört.

Das Verfahren zieht sich seit Jahren durch verschiedene Instanzen. Nachdem die Stadt zunächst Niederlagen einstecken musste, gibt es jetzt die Wendung: Das Verwaltungsgericht urteilte, dass der Rentner die Villa wieder aufbauen muss. Außerdem wies es die Klage des Eigentümers ab, dort ein Mehrfamilienhaus zu errichten.

TAG24 erreichte Dieter K., der vor wenigen Jahren zurück nach Blasewitz zog und auf seinem Grundstück in einem (weiteren) Wohnhaus (früheres Stallgebäude) lebt.

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"Ich baue das Haus nicht wieder auf, das ist undenkbar", sagte der Senior aufgebracht. Das Urteil akzeptiere er nicht, über seinen Anwalt habe er bereits Rechtsmittel eingelegt.

Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (45, Linke) sieht das Gerichtsurteil auch als Warnung an "all jene Denkmaleigentümer, die mit dem Gedanken spielen, ein Kulturdenkmal ohne die erforderliche denkmalschutzrechtliche Genehmigung abreißen zu lassen".

"Nobles Erscheinungsbild, exquisite Innenausstattung"

Die Villa im Jahr 2013, nachdem es im Gebäude gebrannt hatte.
Die Villa im Jahr 2013, nachdem es im Gebäude gebrannt hatte.  © Bruno Satelmajer

Die Villa Romana an der Tolkewitzer Straße wurde um 1902 in bester linkselbischer Lage errichtet und galt als selten überliefertes Zeugnis der Baukunst zwischen Neobarock, Art déco und Neuer Sachlichkeit.

Denkmalschützer der Stadtverwaltung bescheinigten ein "nobles äußeres Erscheinungsbild wie auch exquisite Innenausstattung". Besitzer war der Geheime Rechnungsrat Wilhelm Kostrzewski.

Ende der 1920er-Jahre wohnte Zeitungsverleger Fritz Schettler (1879-1946) in der Villa. Zu DDR-Zeiten lebte Dieter K. mit seiner Familie darin. Nach einem missglückten Fluchtversuch wurde er von der BRD freigekauft.

Die Villa war Ende der 70er-Jahre in den Besitz der katholischen Kirche übergegangen, die Dieter K. die Villa 1997 rückübertrug. Im Jahr darauf stellte er den ersten Antrag auf Abriss.

Titelfoto: Bildmontage: Eric Münch/Holm Helis

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