Raubserie auf Biomärkte in Hamburg: Was war die Motivation des Täters?

Hamburg – War er das Opfer einer Drogenbande oder nicht? Am heutigen Folgetermin im Prozess gegen einen 44-Jährigen, der im Zeitraum von August 2021 und Mai 2022 mehrere Filialen der Biomarktkette "TJADEN's Bio Frischemarkt" in Hamburg überfallen hat, hielt der Angeklagte an seiner vorherigen Aussage fest: Er sei jahrelang erpresst und terrorisiert worden. Allerdings verstrickte er sich dabei immer wieder in Widersprüchen.

Der Angeklagte verbirgt im Gerichtssaal sein Gesicht hinter einem Aktendeckel. Er soll zwischen August 2021 und Mai 2022 mehrere Filialen einer Biomarkt-Kette überfallen und insgesamt 4125 Euro erbeutet haben.
Der Angeklagte verbirgt im Gerichtssaal sein Gesicht hinter einem Aktendeckel. Er soll zwischen August 2021 und Mai 2022 mehrere Filialen einer Biomarkt-Kette überfallen und insgesamt 4125 Euro erbeutet haben.  © Markus Scholz/dpa

Selbst nach vier Prozessterminen und einem Geständnis war dem Richter und der Staatsanwältin am Mittwoch eines immer noch nicht klar: die Motivation des Täters. Was genau hat den 44-jährigen Familienvater dazu bewegt, sich eine Halloween-Maske in Form eines alten Männer-Kopfs über den Kopf zu ziehen und einen Biomarkt zu überfallen? Und das gleich sechsmal.

Laut dem Angeklagten habe er so unter Druck gestanden, das verlangte Geld zu zahlen, dass er sich nicht anders zu helfen gewusst habe. Die Idee für die Überfälle soll tatsächlich von den Erpressern stammen: "Als ich nicht zahlen konnte, meinten sie: Dann mach doch einen Raub", so der Angeklagte am Mittwoch.

Auch die Biomarktkette sollen sie ihm empfohlen haben, weil es dort nur eine Kasse geben würde. Das hieße, dass vor Ort nicht viel los sei. Ohne groß darüber nachzudenken, habe er das dann einfach gemacht. Auf die Frage des Richters, warum die Männer ausgerechnet ihn als Opfer auserwählt hatten, wusste der Angeklagte weiterhin keine Antwort.

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Die Fragen, ob er selbst jemals als Drogenkurier gearbeitet habe oder es nicht doch vielleicht seine Schulden und nicht die seines Drogenschmuggler-Freundes waren, die gefordert wurden, verneinte er vehement.

Angeklagter macht widersprüchliche Aussagen

Dieser Biomarkt im Hamburger Stadtteil Eppendorf wurde überfallen.
Dieser Biomarkt im Hamburger Stadtteil Eppendorf wurde überfallen.  © HamburgNews/Christoph Seemann

Der 44-Jährige gab aber zu, zu der Zeit der Überfälle täglich mindestens eine Flasche Korn und phasenweise auch Kokain genommen zu haben. Das habe er sich von einem Gartennachbarn besorgt und stets bar bezahlt. Wie er sich trotz erheblichen finanziellen Problemen – ausgelöst durch die mutmaßliche Dauererpressung – die Drogen und den Alkohol leisten konnte, verriet er nicht.

Der Angeklagte blieb zwar bei seiner Geschichte, er wäre unbegründet Opfer einer Drogenbande geworden, widersprach sich aber teilweise in seinen Detailangaben.

In vorherigen Sitzungen bei der Polizei und dem zuständigen Sachverständigen sagte er zum Beispiel aus, Kredite aufgenommen zu haben, um die Forderungen der Erpresser zu bedienen. Vor Gericht sagte er jedoch, diese hätten dazu gedient, das Geld, welches er sich von Freunden geliehen hatte, zurückzuzahlen.

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Auch behauptete er in einer Version, von 2012 bis 2019 Ruhe vor der Drogenbande gehabt zu haben, vor Gericht sagte er bis 2018. Seine abweichenden Aussagen begründetet der Angeklagte mit Stress und Zeitmangel in den jeweiligen Befragungssituationen.

Zudem habe er aufgrund der psychischen Ausnahmesituation, in der er sich befunden haben will, mit Erinnerungslücken zu kämpfen.

Anwältin will die Öffentlichkeit ausschließen

Als Zeugen wurden bereits mehrere Mitarbeiter und Kunden der Biomärkte, der Schwiegervater des Angeklagten und ein Polizist befragt.

Kurz vor der Vernehmung der Ehefrau am Mittwoch stellte die Anwältin des Angeklagten einen "Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit während der Vernehmung eines Zeugen", dem stattgegeben wurde.

Als Begründung nannte sie, dass die Probleme innerhalb einer Ehe niemanden etwas angehen würden.

Titelfoto: HamburgNews/Christoph Seemann

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