19 Tritte gegen den Kopf! Lok-Hooligan wegen versuchten Mordes vor Gericht
Leipzig - Fan-Rivalitäten sind so alt wie der Fußball selbst. Doch sie werden immer brutaler geführt. Der alte Ehrenkodex, wonach Schluss ist, wenn der Gegner am Boden liegt, gilt längst nicht mehr. Heute geht die Gewalt dann erst richtig los. In Leipzig hat die Staatsanwaltschaft nun erstmals in Sachsen einen Hooligan wegen versuchten Mordes angeklagt.
Zwischen Lok und Chemie Leipzig herrscht eine jahrzehntelange Rivalität, die auch schon viele "dritte Halbzeiten" erlebt hat. Doch was in der Nacht vor dem Sachsenpokal-Derby im März geschah, hat eine neue Qualität.
Rund 30 Hooligans des 1. FC Lok fuhren nachts mit mehreren Autos nach Leutzsch, wo der Rivale sein Stadion hat. Aus Ermittlungen geht hervor, dass sie ursprünglich die in einer Halle vorbereitete Pokal-Choreografie der Chemiker zerstören wollten.
Doch auf dem Weg dahin bemerkten die blau-gelben Krawallos an einer als Chemiker-Treff bekannten Tankstelle in Stadionnähe mehrere Fans der Grün-Weißen, die dort friedlich ihr Bier tranken.
Während der intelligentere Teil der Lok-Hools ob der Video-Überwachung kopfschüttelnd in den Autos verblieb, stürmte die intellektuelle Kreisklasse der Blau-Gelben die Tanke und verübte vor laufenden Kameras schwerste Straftaten.
Geständnis mit Abstrichen und 10.000 Euro Schmerzensgeld-Angebot
Einer, der dabei war, ist Louis W. (20) aus dem Muldental. Seit Freitag muss er sich als erster Hooligan in Sachsen wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten. Der Anklage zufolge trat der Straßenbau-Azubi gleich 19 Mal auf den Kopf eines bereits regungslos am Boden liegenden Chemie-Fans ein. Laut Staatsanwaltschaft in Tötungsabsicht!
Das 18-jährige Opfer erlitt schlimme Verletzungen und leidet bis heute an den Folgen.
Vor Gericht verlas der von W. engagierte Berliner "Fan-Anwalt" René Lau eine Erklärung, in der sein Mandant seinen Anteil an der Gewalttat einräumte, Reue bekundete, jedoch die hohe Anzahl der Tritte und eine Tötungsabsicht bestritt. Er sei einer "Gruppendynamik" erlegen gewesen und habe dafür keine Erklärung, hieß es in Laus Vortrag.
Kurz vor dem Prozess landete auch ein in schon anmaßend kumpelhafter Duz-Form gehaltener Entschuldigungsbrief beim Opfer, in dem Louis W. 10.000 Euro Schmerzensgeld anbot. Vor Gericht selbst vorlesen wollte er das mutmaßlich unter professioneller Anleitung erstellte Schriftstück allerdings nicht - musste auch sein "Fan-Anwalt" machen.
Kurz vor dem Überfall schon wegen Körperverletzung verurteilt
Auf Nachfragen des Gerichts wollte der nach Angaben seines Verteidigers schwer reumütige Lok-Hooligan dann auch weder sagen, wer seine Begleiter waren, noch was der Zweck der nächtlichen Autofahrt nach Leipzig war.
Bemerkenswert: Trotz des Mord-Vorwurfs ist der geständige Gewalttäter längst wieder aus der U-Haft entlassen. Vor Gericht kam auch zur Sprache, dass Louis W. erst drei Wochen vor dem Tankstellen-Überfall wegen Körperverletzung verurteilt wurde. Der Jugendrichter hielt damals eine geringe Geldstrafe für erzieherisch angemessen.
Der Prozess wird fortgesetzt.
Titelfoto: Montage Silvio Bürger ; Ralf Seegers

