"Neo-Nazis und Pandemie-Leugner geoutet": Leipzigs Ex-SPD-Chefin wegen Twitter-Post vor Gericht

Leipzig - Leipzigs Ex-SPD-Chefin und "Leipzig nimmt Platz"-Aktivistin Irena Rudolph-Kokot (52) steht seit Mittwoch wegen gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten vor dem Amtsgericht Leipzig - sie soll einen Link zur Plattform Indymedia bei Twitter (heute X) geteilt und mit einem Statement versehen haben. Das Problem: Unter dem Link sollen persönliche Daten wie Adressen und Anhänge zu Plakaten mit Fotos dreier Männer zu finden gewesen sein.

Irena Rudolph-Kokot (52) muss sich seit Mittwoch wegen gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten vor dem Amtsgericht Leipzig verantworten.
Irena Rudolph-Kokot (52) muss sich seit Mittwoch wegen gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten vor dem Amtsgericht Leipzig verantworten.  © Christian Grube

Laut Staatsanwaltschaft wurde der Indymedia-Artikel mit dem Titel "Neo-Nazis und Pandemie-Leugner geoutet" am 24. Mai 2022 von Unbekannten veröffentlicht. Der Inhalt: Angaben zu politischen Aktivitäten, aber auch Privatadressen von drei Männern. Darunter drei an Fahndungsplakate erinnernde Anhänge mit den Titeln: "Querdenker und Nazifreund", "Neonazi, Waffenhändler, Coronaleugner" und "Leipziger Immobilienmakler und Neo-Nazi", inklusive Fotos.

Bei Twitter soll Rudolph-Kokot einen Tag später den Link zu Indymedia gepostet und dazu unter anderem geschrieben haben: "Hier eine gute Darstellung, wem genau die Stadt Leipzig und die Polizei Sachsen regelmäßig seit zwei Jahren den roten Teppich ausrollt."

Während sich Rudolph-Kokot selbst zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern wollte, verlas ihre Verteidigerin Rita Belter eine Erklärung: Ihre Mandantin engagiere sich seit vielen Jahren beim Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz", dadurch seien ihr die drei betroffenen Männer bekannt geworden und sie habe Stadt und Polizei mehrfach vergeblich auf eine von ihnen ausgehende Gefahr hingewiesen - so auch in Bezug auf die mit Gewalttaten eskalierte "Querdenken"-Demo am 7. November 2020.

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Zudem seien Stadt und Polizei in dem Tweet jeweils mit einem @-Zeichen adressiert und damit direkt angesprochen worden, um diese erneut über die drei Männer zu informieren. Würde man eine Straftat begehen wollen, würde man das die Polizei auf diesem Weg wohl kaum wissen lassen, so die Verteidigung: "Das mache ich doch nicht, wenn ich jemandem schaden will." Allerdings fehlten auf der dem Gericht vorliegenden Version des Twitter-Beitrags die @-Symbole.

Betroffener und Lebensgefährtin sagen als Zeugen aus

"Leipzig nimmt Platz"-Aktivistin Irena Rudolph-Kokot mit ihrer Rechtsanwältin Rita Belter im Amtsgericht Leipzig.
"Leipzig nimmt Platz"-Aktivistin Irena Rudolph-Kokot mit ihrer Rechtsanwältin Rita Belter im Amtsgericht Leipzig.  © Christian Grube

Weiter argumentierte die Anwältin, dass Rudolph-Kokot nichts von einer Rechtswidrigkeit und den angehängten Plakaten gewusst, zudem nicht auf die Anhänge, sondern auf den Artikel selbst verlinkt habe. Als sie Monate später darauf hingewiesen worden sei, habe sie den Link geprüft und gelöscht. "Meine Mandantin ist vom Tatvorwurf freizusprechen", so Belter.

Als erste Zeugin sagte die Freundin (44) eines der betroffenen Männer aus: Sie habe die angehängten Plakate mit Adresse und Fotos ihres Freundes am 25. Mai 2022 bei sich in der Nachbarschaft entdeckt und die Polizei alarmiert. "Total geschockt" habe sie insgesamt 24 Plakate entfernt, sei dabei auch von einem Mann als "Nazischlampe" beschimpft worden.

Einen Tag vor der großen "Querdenker"-Demo am 7. November 2020 seien diese Plakate schon einmal in ihrer Gegend aufgehängt worden. Damals sei es zu Morddrohungen gekommen - "das kam alles wieder hoch", so die 44-Jährige. Sie habe die erneute Plakatierung nicht verstanden, sei sie doch nach den Morddrohungen aus der Anti-Corona-Demoszene ausgestiegen. Zudem habe sie nie Kontakt zu militanten Neonazis gehabt.

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Ihr Lebensgefährte (46), einer der betroffenen Männer, der auf einem der Plakate mit einem bekannten Rechtsextremisten, Antisemit und Holocaustleugner abgebildet ist, erklärte dazu: Er habe nicht gewusst, mit wem er sich da ablichten lasse: "Ich teile die Meinung von ihm nicht." Zudem empfinde er die Bezeichnung "Nazifreund" als "grob beleidigend".

Die Verhandlung wird am 24. Juni fortgesetzt.

Titelfoto: Christian Grube

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