Teenager mit 585-PS-Auto überfahren: Prozess gegen Totraser gestartet

Leipzig - 585 PS stark war der Mercedes-AMG, der im Februar 2019 in Leipzig das Leben des 16-jährigen Schülers Ruben W. auslöschte. Fast drei Jahre musste seine Familie auf den Prozess gegen Totraser Seyit C. (33) warten. Am gestrigen Montag nun startete die Hauptverhandlung gegen den Türken, der aus seinem Hang zu hohen Geschwindigkeiten nie ein Geheimnis gemacht hatte.

Rubens Eltern sind im Prozess Nebenkläger – und blicken auf den Angeklagten mit dessen zwei Verteidigern.
Rubens Eltern sind im Prozess Nebenkläger – und blicken auf den Angeklagten mit dessen zwei Verteidigern.  © Ralf Seegers

Es sind keine zehn Meter, die Seyit C. von Matthias M. (56) und Maria W. (53) entfernt sitzt. Während die Eltern von Ruben ihre Blicke auf den Angeklagten richten, schaut dieser wie versteinert zu Boden.

"Es tut mir wirklich schrecklich leid, dass ich Unglück gebracht habe über die Familie", stammelt der Türke, der selbst Vater eines Sohnes ist. Mehr möchte er zu Prozessbeginn nicht sagen.

Es war am 12. Februar 2019 um 19.22 Uhr, als zwei Menschen aufeinandertrafen, die es eilig hatten. Ruben, der an der Jahnallee eine Straßenbahn erwischen wollte, die bereits in die auf der Mittelinsel gelegene Haltestelle einfuhr. Bei "Rot" rannte er über die Fahrbahn.

Drohendes Aus für Fähre: Bundesgericht in Leipzig verhandelt zu geplanten A20-Elbtunnel
Gerichtsprozesse Leipzig Drohendes Aus für Fähre: Bundesgericht in Leipzig verhandelt zu geplanten A20-Elbtunnel

Und Seyit C., der anfangs hinter der Tram herfuhr und dann mit großer Beschleunigung rechts vorbeizog.

Der Schüler hatte keine Chance. Als die Frontscheibe beim Aufprall splitterte, war der Mercedes 87 km/h schnell, wie ein Dekra-Gutachter dem Bordcomputer entnahm. In der Klinik erlag Ruben seinen massiven Verletzungen.

Hätte sich der Mercedes-Fahrer an die innerorts vorgeschriebenen 50 Stundenkilometer gehalten, würde Ruben heute noch leben. Das ergeben zumindest die Zeit-Berechnungen des Sachverständigen.

"Der Junge wäre aus der Fahrzeugkontur rausgerannt und es wäre nicht zum Unfall gekommen", erklärte Dekra-Gutachter Peter Zicker.

Wurde mit nur 16 Jahren aus dem Leben gerissen: Ruben W.
Wurde mit nur 16 Jahren aus dem Leben gerissen: Ruben W.  © privat
Der getunte Mercedes nach dem Unfall – der Fußgänger schlug in die Frontscheibe ein und wurde dann meterweit weggeschleudert.
Der getunte Mercedes nach dem Unfall – der Fußgänger schlug in die Frontscheibe ein und wurde dann meterweit weggeschleudert.  © News5/Grube
Jede Woche besuchen Rubens Eltern die Unglücksstelle und gedenken dort ihres Sohnes.
Jede Woche besuchen Rubens Eltern die Unglücksstelle und gedenken dort ihres Sohnes.  © Ralf Seegers

Mehrere Tempo-Überschreitungen nach dem Unfall – hat der Angeklagte nichts gelernt?

"Rasen tötet" – dieses Transparent haben Rubens Freunde vis-à-vis des Leipziger Amtsgerichts aufgehängt.
"Rasen tötet" – dieses Transparent haben Rubens Freunde vis-à-vis des Leipziger Amtsgerichts aufgehängt.  © Ralf Seegers

Zu seinem Hang zu hohen Geschwindigkeiten hat sich Seyit C. früher offen bekannt. Mit Protzer-Videos auf Instagram – einmal zeigte der gefilmte Tacho 320 Stundenkilometer an.

Auch kurz nach dem Unfall gepostete Fotos – unter anderem mit seinem eigenen Sohn auf der Motorhaube des reparierten Boliden – lassen Rubens Eltern an der Echtheit des vor Gericht geäußerten Bedauerns zweifeln. Mittlerweile ist sein Instagram-Account bereinigt.

Auch nach dem Unfall beging Seyit C. laut Fahreignungsregister noch zahlreiche Geschwindigkeitsübertretungen. Eine zweite Anklage wirft ihm zudem vor, ohne Führerschein weiter Auto gefahren zu sein – unter anderem mit einem gefälschten polnischen Schein.

Missbrauchs-Skandal bei der Feuerwehr: Chef soll sich an Kindern vergangen haben
Gerichtsprozesse Leipzig Missbrauchs-Skandal bei der Feuerwehr: Chef soll sich an Kindern vergangen haben

Bei einer Polizeikontrolle soll er zwei Beamte mit einem Elektroschocker verletzt haben.

Der Prozess wird fortgesetzt.

Titelfoto: Ralf Seegers

Mehr zum Thema Gerichtsprozesse Leipzig: