Urteil im Leipziger Femizid-Prozess: "Wenn ich dich nicht kriegen kann, dann keiner"

Leipzig - Im Mordprozess um die getötete zweifache Mutter Jessica S. (30) ist am heutigen Freitag das Urteil vor dem Landgericht in Leipzig gefallen: Der angeklagte Lebensgefährte von S., Marcus K. (41), erhält lebenslänglich.

Der Darstellung des Angeklagten (41) schenkte das Gericht keinen Glauben.  © Ralf Seegers

Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte sein Opfer am frühen Morgen des 21. Mai 2024 vorsätzlich getötet hat. Die Richterin bezeichnete den Mord als "ein Musterbeispiel der Heimtücke". In einem Streit vor der Tat soll Marcus K. seinem Opfer gesagt haben: "Wenn ich dich nicht kriegen kann, dann keiner."

Der vorausgegangenen Einlassung des Angeklagten, demnach seine Ex-Partnerin ihn in der gemeinsamen Wohnung zunächst beleidigt und dann mit einem Messer bedroht habe, woraufhin es zum Kampf gekommen sei, der für S. tödlich endete, schenkte die Kammer keinen Glauben. Die Darstellung sei nachträglich konstruiert, unglaubwürdig und "völlig lebensfremd".

Jessica S. habe nach der Trennung ein neues Leben beginnen wollen und dafür extra eine Wohnung in der Nähe gesucht, damit K. seine Kinder weiterhin sehen könne. Die "lebensbejahende" Mutter sei zudem nie durch aggressives oder gewalttätiges Verhalten in Erscheinung getreten, hieß es.

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Nach der Überzeugung des Gerichts gibt es keine Spuren, die die Darstellung des Angeklagten stützen. Nicht ein kleinster Kratzer würde auf einen vorherigen Kampf um das Messer hindeuten. Vielmehr sei der geradlinige Stichkanal im Hals laut Experten ein eindeutiges Indiz dafür, dass S. während des tödlichen Angriffs schlafend auf der Couch gelegen habe. Blutspritzer auf dem Kissen stützen dieses Bild.

Außerdem hätten sich am Hals der Toten Spuren gefunden, die darauf hindeuten, dass K. das Messer bereits vor dem tödlichen Schnitt mehrfach am Hals angesetzt hatte, um den bestmöglichen Winkel zu finden. Dies spreche eindeutig dafür, dass Jessica S. zum Zeitpunkt der tödlichen Attacke nicht wach gewesen ist.

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Jessica S. wurde 30 Jahre alt und hinterlässt zwei Kinder.  © Foto: privat

Marcus K.: "Wenn ich dich nicht haben kann, dann keiner"

Das Gericht sieht keine milderen Umstände im Falle der Tötung durch Marcus K.  © Ralf Seegers

Das Gericht geht davon aus, dass dem Angeklagten einen Tag vor Jessicas Auszug aus der gemeinsamen Wohnung endgültig klar geworden sei, dass die Trennung unumkehrbar ist.

Gegen eine "Verzweiflungstat", wie es die Verteidigung dargestellt hatte, spreche jedoch, dass sich die getötete Mutter bereits einen Monat vor der Tat von Marcus K. getrennt hatte.

In der Zwischenzeit hätte K. zudem eine Reise unternommen und Ausflüge, wie beispielsweise am Männertag mit seinen Freunden. Gegen eine Tat im Affekt spreche außerdem das planvolle Vorgehen des Angeklagten, so die Richterin. So habe er etwa die Wohnzimmertür abgeschlossen, um zu verhindern, dass die beiden im Nachbarzimmer schlafenden, zehn und vier Jahre alten Kinder womöglich hereinplatzen.

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Marcus K. sei voll schuldfähig, mildernde Umstände gebe es nicht. Übersteigertes Besitzdenken, eine nicht verkraftete Trennung seien Gründe für die Tat.

Nach der Verlesung des Urteils wandte sich die Richterin direkt an Marcus K.: "Sie haben ein Leben ausgelöscht, ihren beiden Familien unermessliches Leid zugefügt, und ihre Kinder von einem auf den anderen Moment aus dem Leben gerissen. Die Kinder haben nicht nur ihre Mutter, sondern auch ihren Vater verloren."

Nach dem Prozess gedenken 50 Menschen der Ermordeten

Nach dem Prozess versammelten sich etwa 50 Personen für eine Gedenkkundgebung vor dem Landgericht.  © TAG24/Jan-Gerrit Vahl

Vor dem Landgericht versammelten sich nach Prozessende etwa 50 Personen, um der Getöteten zu gedenken und mit Blumen an die junge Mutter zu erinnern.

"Ein Femizid bezeichnet den Mord an einer Frau, weil sie eine Frau ist", hieß es in einem Redebeitrag. Zwar fühle es sich im ersten Moment so an, als ob die Verurteilung ein Erfolg sei, das dahinter liegende System, indem Männer entschieden, ob eine Frau leben dürfe oder nicht, bestehe jedoch weiter. "Für Jessica und viele andere Frauen kommt dieses Urteil zu spät, sie sind tot."

Die Mutter der Getöteten bedankte sich bei den Anwesenden für ihre Teilnahme.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Revision ist möglich.

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