Islamist oder psychisch krank? Motiv des ICE-Messerstechers entscheidende Frage
München - Mehr als ein Jahr nach der Messerattacke auf mehrere Reisende in einem ICE will das Oberlandesgericht München am Freitag im Prozess gegen den mutmaßlichen Täter ein Urteil verkünden.

Der Tatablauf am 6. November 2021 ist weitestgehend unstrittig: In einem ICE auf der Fahrt nach Nürnberg soll der damals 27-jährige Abdalrahman A. vier Männer mit einem Messer angegriffen und drei von ihnen dabei schwer verletzt haben.
Nicht einig sind sich Kläger und Verteidiger jedoch hinsichtlich der Frage, ob es sich bei dem Mann um einen Dschihadisten oder um einen psychisch Kranken handelt.
Die Bundesanwaltschaft geht von einem radikal-islamistischen Motiv der Tat aus. Sie wirft dem palästinensischen Volksangehörigen unter anderem versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung aus niedrigen Beweggründen vor.
Im Schlussplädoyer vergangene Woche forderte Bundesanwältin Silke Ritzert eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die Opfer des Messerangriffs, die im Prozess als Nebenkläger auftreten, schlossen sich der Forderung an.
Die Verteidiger hingegen sehen für einen islamistischen Hintergrund ihres Mandanten "keine Stütze". Der Mann sei zudem paranoid schizophren und daher schuldunfähig.
ICE-Messerattacke: Psychiatrische Gutachten sprechen für volle Schuldfähigkeit

Sie plädierten für einen Freispruch und eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. "Unser Mandant ist krank, unser Mandant muss behandelt werden, und unser Mandant ist kein Terrorist", sagte Verteidiger Maximilian Bär in seinem Schlussplädoyer.
Nach Ansicht der Bundesanwälte simuliert der Mann eine psychische Erkrankung nur. Die blutige Tat habe er "im Zustand voller Schuldfähigkeit" begangen und damit seinen Beitrag zum weltweiten Dschihad leisten wollen, sagte Bundesanwältin Silke Ritzert in ihrem Plädoyer.
Drei psychiatrische Gutachter waren sich zuvor im Prozess einig, dass der Mann nicht psychisch krank sei.
Rund zwei Monate hatte die Verhandlung vor dem Oberlandesgericht München gedauert. An 20 Verhandlungstagen wurden unter anderem die Opfer, Zeugen und diverse Sachverständige angehört.
Titelfoto: Fabian Schreiner/dpa